Historiker streiten: Wann begann der zweite Weltkrieg?

Die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua meldete gestern, das eine wachsende Zahl von Historikern heute die Auffassung vertreten, der Zweite Weltkrieg, habe nicht erst mit dem Überfall Nazi-Deutschlands auf Polen am 1. September 1939 begonnen, sondern der wirkliche Beginn des Zweiten Weltkrieges sei eigentlich die umfassende Invasion Japans in China im Jahr 1937. Nun mögen die Historiker in den kommenden Jahren auf diversen Kongressen über diese Frage streiten. Wir haben es da leichter. lesen wir einfach mal, was der Genosse Stalin zu dieser Frage in seinem

RECHENSCHAFTSBERICHT AN DEN XVIII. PARTEITAG ÜBER DIE ARBEIT DES ZK DER KPDSU(B)

am 10. März 1939 zu sagen hatte:

DIE INTERNATIONALE LAGE DER SOWJETUNION

Aleksandr Gerasimov - Stalin at the 18th Party Congress 1939

Genossen! Seit dem XVII. Parteitage sind fünf Jahre verflossen. Wie ihr seht, keine kurze Periode. Während dieser Zeit hat die Welt bedeutende Veränderungen erlebt. Staaten und Länder, ihre Beziehungen untereinander sind in vielem völlig andere geworden.

Welche Veränderungen haben sich in dieser Periode in der internationalen Lage vollzogen? Was hat sich in der äußeren und inneren Lage unseres Landes verändert?

Für die kapitalistischen Länder war dies eine Periode ernstester Erschütterungen sowohl auf dem Gebiete der Wirtschaft als auch auf dem Gebiete der Politik. Auf wirtschaftlichem Gebiete waren dies Jahre der Depression, und dann, angefangen mit der zweiten Hälfte 1937, Jahre einer neuen Wirtschaftskrise, Jahre eines neuen Niedergangs der Industrie in den Vereinigten Staaten von Amerika, England, Frankreich, folglich Jahre neuer wirtschaftlicher Verwicklungen. Auf politischem Gebiete waren dies Jahre ernster politischer Konflikte und Erschütterungen. Schon das zweite Jahr tobt der neue imperialistische Krieg, der sich auf dem gewaltigen Gebiete von Schanghai bis Gibraltar abspielt und eine Bevölkerung von mehr als 500 Millionen erfasst hat. Die Landkarte Europas, Afrikas, Asiens wird gewaltsam umgestaltet. Das gesamte System des so genannten Friedensregimes der Nachkriegszeit ist von Grund aus erschüttert.

Für die Sowjetunion dagegen waren dies Jahre ihres Wachstums und Aufblühens, Jahre ihres weiteren wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwungs, Jahre des weiteren Wachstums ihrer politischen und militärischen Macht, Jahre ihres Kampfes um die Erhaltung des Friedens in der ganzen Welt.

Das ist das allgemeine Bild.

Betrachten wir nun die konkreten Tatsachen der Veränderungen in der internationalen Lage.

1. Die neue Wirtschaftskrise in den kapitalistischen Ländern. Die Verschärfung des Kampfes um die Absatzmärkte, um die Rohstoffquellen, um die Neuaufteilung der Welt

Die Wirtschaftskrise, die in den kapitalistischen Ländern in der zweiten Hälfte 1929 begann, dauerte bis Ende 1933. Dann ging die Krise in eine Depression über, worauf eine gewisse Belebung der Industrie, ein gewisser Aufschwung der Industrie einsetzte. Doch ging diese Belebung der Industrie nicht in eine Prosperität über, wie dies gewöhnlich in der Periode der Belebung geschieht. Im Gegenteil, angefangen mit der zweiten Hälfte 1937 setzte eine neue Wirtschaftskrise ein, die zunächst die Vereinigten Staaten von Amerika und sodann England, Frankreich und eine Reihe anderer Länder erfasste.

Somit sahen sich die kapitalistischen Länder, noch ehe sie sich von den Schlägen der jüngsten Wirtschaftskrise erholen konnten, einer neuen Wirtschaftskrise gegenüber.

Dieser Umstand führte naturgemäß zu einer Steigerung der Arbeitslosigkeit. Die Zahl der Arbeitslosen in den kapitalistischen Ländern, die von 30 Millionen im Jahre 1933 auf 14 Millionen im Jahre 1937 gesunken war, stieg infolge der neuen Krise wieder auf 18 Millionen.

Eine charakteristische Besonderheit der neuen Krise besteht darin, dass sie sich in vielem von der vorhergehenden Krise unterscheidet, und zwar nicht im Sinne einer Verbesserung, sondern einer Verschlechterung.

Erstens hat die neue Krise nicht nach einer Prosperität der Industrie begonnen, wie dies 1929 der Fall gewesen ist, sondern nach einer Depression und einer gewissen Belebung, die jedoch nicht in eine Prosperität umschlug. Das bedeutet, dass die jetzige Krise schwerer sein wird und dass sie schwieriger zu bekämpfen sein wird als die vorhergehende Krise.

Ferner begann die jetzige Krise nicht in Friedenszeiten, sondern in der Periode des bereits begonnenen zweiten imperialistischen Krieges, da Japan, das bereits das zweite Jahr gegen China Krieg führt, den unermesslichen chinesischen Markt desorganisiert und für Waren anderer Länder fast unzugänglich macht; da Italien und Deutschland ihre Volkswirtschaft bereits auf das Geleise der Kriegswirtschaft übergeleitet haben, wobei sie für diesen Zweck ihre Vorräte an Rohstoffen und Valuta aufgebraucht haben; da alle übrigen kapitalistischen Großmächte anfangen, sich auf den Krieg umzustellen. Dies bedeutet, dass der Kapitalismus für einen normalen Ausweg aus der jetzigen Krise viel weniger Hilfsquellen haben wird als in der Periode der vorhergehenden Krise.

Schließlich ist die jetzige Krise im Unterschied zu der vorhergehenden keine allgemeine Krise, sondern erfasst zunächst hauptsächlich die wirtschaftlich starken Länder, die noch nicht zur Kriegswirtschaft übergegangen sind. Was die aggressiven Länder betrifft, wie Japan, Deutschland und Italien, die ihre Wirtschaft bereits auf den Krieg umgestellt haben, so machen sie, da sie ihre Kriegsindustrie verstärkt entwickeln, noch nicht den Zustand einer Überproduktionskrise durch, obwohl sie sich diesem Zustande nähern. Das bedeutet, dass zu einer Zeit, da die wirtschaftlich starken, nichtaggressiven Länder beginnen werden, aus der Phase der Krise herauszukommen, die aggressiven Länder, nachdem sie ihre Gold- und Rohstoffvorräte während des Kriegsfiebers erschöpft haben, in eine Phase schärfster Krise geraten müssen.

Es kann kein Zweifel darüber bestehen, dass die Industrie Deutschlands, wenn nicht etwas Unvorhergesehenes eintritt, dieselbe Abwärtsbewegung wird durchmachen müssen, die in Japan und Italien schon eingesetzt hat. Denn was heißt es, die Wirtschaft eines Landes auf das Geleise der Kriegswirtschaft überleiten? Das heißt, der Industrie eine einseitige, auf den Krieg eingestellte Richtung geben, die Produktion von Gegenständen für den Kriegsbedarf, die mit dem Verbrauch der Bevölkerung nichts zu tun haben, maximal erweitern, die Produktion und besonders die Belieferung des Marktes mit Massenbedarfsartikeln maximal einschränken, folglich also, den Verbrauch der Bevölkerung einschränken und über das Land eine Wirtschaftskrise heraufbeschwören.

Dies ist das konkrete Bild, das der Gang der neuen Wirtschaftskrise in den kapitalistischen Ländern bietet.

Es ist klar, dass eine solche ungünstige Wendung in der Wirtschaftslage zu einer Verschärfung der Beziehungen zwischen den Staaten führen musste. Schon die vorhergehende Krise hat alle Karten durcheinander geworfen und zu einer Verschärfung des Kampfes um die Absatzmärkte, um die Rohstoffquellen geführt. Die Annexion der Mandschurei und Nordchinas durch Japan, die Annexion Abessiniens durch Italien – all dies brachte die Schärfe des Kampfes zwischen den Mächten zum Ausdruck. Die neue Wirtschaftskrise muss zu einer weiteren Verschärfung des imperialistischen Kampfes führen und führt in der Tat dazu. Es handelt sich bereits nicht mehr um Konkurrenz auf den Märkten, nicht um Handelskrieg, nicht um Dumping. Diese Kampfmittel gelten schon längst als unzureichend. Es geht jetzt um die Neuaufteilung der Welt, der Einflusssphären, der Kolonien durch Kriegshandlungen.

Japan suchte seine aggressiven Handlungen damit zu rechtfertigen, dass man es beim Abschluss des Neunmächtepaktes übervorteilt und dass man ihm nicht gestattet habe, sein Territorium auf Kosten Chinas zu erweitern, während England und Frankreich gewaltige Kolonien besitzen. Italien besann sich darauf, dass man es bei der Teilung der Beute nach dem ersten imperialistischen Kriege übervorteilt habe und dass es sich auf Kosten der Einflusssphären Englands und Frankreichs entschädigen müsse. Deutschland, das durch den ersten imperialistischen Krieg und den Versailler Frieden ernsthaft Schaden gelitten hatte, schloss sich Japan und Italien an und forderte die Vergrößerung seines Territoriums in Europa und die Rückgabe der. Kolonien, die ihm die Sieger im ersten imperialistischen Krieg weggenommen hatten.

So begann sich der Block der drei aggressiven Staaten zu bilden. Die Frage der Neuaufteilung der Welt durch den Krieg wurde auf die Tagesordnung gesetzt.

2. Die Verschärfung der internationalen politischen Lage,
der Zusammenbruch des Nachkriegssystems der Friedensverträge,
der Beginn des neuen imperialistischen Krieges

Hier eine Aufzählung der wichtigsten Ereignisse in der Berichtsperiode, die den neuen imperialistischen Krieg einleiteten. Im Jahre 1935 überfiel Italien Abessinien und annektierte es. Im Sommer 1936 organisierten Deutschland und Italien die militärische Intervention in Spanien, wobei Deutschland sich im Norden Spaniens und in Spanisch-Marokko und Italien im Süden Spaniens und auf den Balearen festsetzte. Im Jahre 1937 brach Japan, nach der Annexion der Mandschurei, in Nord- und Zentralchina ein, besetzte Peking, Tientsin, Schanghai und begann seine ausländischen Konkurrenten aus der Okkupationszone zu verdrängen. Anfang 1938 annektierte Deutschland Osterreich und im Herbst 1938 das Sudetengebiet der Tschechoslowakei. Ende 1938 bemächtigte sich Japan Kantons und Anfang 1939 der Insel Hainan.

Somit zog der Krieg, der sich so unmerklich an die Völker herangeschlichen hat, mehr als 500 Millionen Menschen in seinen Bannkreis; der Krieg hat seine Aktionssphäre auf ein gewaltiges Gebiet ausgedehnt: von Tientsin, Schanghai und Kanton über Abessinien bis Gibraltar.

Nach dem ersten imperialistischen Kriege schufen die Siegerstaaten, hauptsächlich England, Frankreich und die USA, ein neues Regime der Beziehungen zwischen den Ländern: das Friedensregime der Nachkriegszeit. Die wichtigsten Grundpfeiler dieser Regimes waren im Fernen Osten der Neunmächtepakt und in Europa der Versailler Vertrag und eine ganze Reihe anderer Verträge. Der Völkerbund war dazu bestimmt, die Beziehungen zwischen den Ländern im Rahmen dieses Regimes auf der Grundlage einer Einheitsfront der Staaten, auf der Grundlage der kollektiven Verteidigung der Sicherheit der Staaten zu regeln. Die drei aggressiven Staaten und der von ihnen begonnene neue imperialistische Krieg haben jedoch dieses gesamte Friedensregime der Nachkriegszeit über den Haufen geworfen. Japan hat den Neunmächtepakt, Deutschland und Italien haben den Versailler Vertrag zerrissen. Um freie Hand zu bekommen, sind alle diese drei Staaten aus dem Völkerbund ausgetreten.

Der neue imperialistische Krieg wurde zur Tatsache.

In unseren Zeiten ist es nicht so leicht, sich mit einem Male von der Kette loszureißen und sich geradewegs in den Krieg zu stürzen, ohne auf Verträge verschiedener Art und auf die öffentliche Meinung Rücksicht zu nehmen. Den bürgerlichen Politikern ist dies sehr wohl bekannt. Auch den faschistischen Machthabern ist das bekannt. Daher entschlossen sich die faschistischen Machthaber, bevor sie sich in den Krieg stürzten, die öffentliche Meinung in bestimmter Weise zu bearbeiten, d. h. sie irrezuführen, sie zu betrügen.

Ein Kriegsblock Deutschlands und Italiens gegen die Interessen Englands und Frankreichs in Europa? Gott bewahre! Ist das etwa ein Block? „Wir“ haben keinerlei Kriegsblock. „Wir“ haben lediglich eine harmlose „Achse Berlin-Rom“, d. h. eine Art geometrische Formel für eine Achse. (Heiterkeit).

Ein Kriegsblock Deutschlands, Italiens und Japans gegen die Interessen der USA, Englands und Frankreichs im Fernen Osten? Nichts dergleichen! „Wir“ haben keinerlei Kriegsblock. „Wir“ haben lediglich ein harmloses „Dreieck Berlin-Rom-Tokio“ – das ist ein kleiner geometrischer Zeitvertreib. (Allgemeine Heiterkeit).

Ein Krieg gegen die Interessen Englands, Frankreichs, der USA? Unsinn! „Wir“ führen Krieg gegen die Komintern und nicht gegen diese Staaten. Glaubt ihr es nicht, so lest den „Antikomintern-Pakt“, den Italien, Deutschland und Japan miteinander abgeschlossen haben.

So gedachten die Herren Aggressoren die öffentliche Meinung zu bearbeiten, obwohl es nicht schwer war zu begreifen, dass all dies eine plumpe, durchsichtige Maskerade war, denn es ist lächerlich, „Stützpunkte“ der Komintern in den Wüsten der Mongolei, in den Bergen Abessiniens, in den Felsschluchten Spanisch-Marokkos zu suchen. (Heiterkeit).

Aber der Krieg ist unerbittlich. Man kann ihn hinter keinerlei Kulissen verstecken. Denn hinter keinerlei „Achsen“, „Dreiecken“ und „Antikomintern-Pakten“ läßt sich die Tatsache verstecken, dass Japan während dieser Zeit ein gewaltiges Gebiet Chinas, Italien – Abessinien, Deutschland – Österreich und das Sudetengebiet, Deutschland und Italien gemeinsam Spanien an sich gerissen haben, all dies entgegen den Interessen der nichtaggressiven Staaten. Der Krieg blieb Krieg, der Kriegsblock der Aggressoren blieb ein Kriegsblock und die Aggressoren blieben Aggressoren.

Ein kennzeichnender Zug des neuen imperialistischen Krieges besteht darin, dass er noch nicht zu einem allgemeinen, zu einem Weltkriege geworden ist. Der Krieg wird von den aggressiven Staaten geführt, die die Interessen der nichtaggressiven Staaten, vor allem Englands, Frankreichs und der USA, in jeder Weise schädigen; die letzteren weichen jedoch zurück, treten den Rückzug an, machen den Aggressoren ein Zugeständnis nach dem anderen.

Somit vollzieht sich vor unseren Augen eine offene Neuaufteilung der Welt und der Einflusssphären auf Kosten der Interessen der nichtaggressiven Staaten, wobei diese keinerlei Versuche zur Abwehr unternehmen, in gewisser Weise sogar jene begünstigen.

Unglaublich, aber wahr.

Wodurch ist dieser einseitige und seltsame Charakter des neuen imperialistischen Krieges zu erklären?

Wie konnte es geschehen, dass die nichtaggressiven Länder, die über gewaltige Möglichkeiten verfügen, so leicht und ohne Widerstand zugunsten der Angreifer ihre Positionen preisgaben und sich von ihren Verpflichtungen lossagten?

Ist dies etwa durch die Schwäche der nichtaggressiven Staaten zu erklären? Natürlich nicht! Die nichtaggressiven, demokratischen Staaten sind zusammen unzweifelhaft stärker als die faschistischen Staaten, sowohl in ökonomischer als auch in militärischer Hinsicht.

Wodurch sind also in diesem Falle die systematischen Zugeständnisse dieser Staaten an die Aggressoren zu erklären?

Man könnte dies zum Beispiel mit der Furcht vor der Revolution erklären, die ausbrechen könnte, wenn die nichtaggressiven Staaten in den Krieg eintreten und der Krieg zu einem Weltkriege wird. Die bürgerlichen Politiker wissen natürlich, dass der erste imperialistische Weltkrieg den Sieg der Revolution in einem der größten Länder mit sich gebracht hat. Sie fürchten, der zweite imperialistische Weltkrieg könnte ebenfalls zum Siege der Revolution in einem oder in mehreren Ländern führen.

Aber das ist zurzeit nicht die einzige und nicht einmal die wichtigste Ursache. Die wichtigste Ursache besteht darin, dass sich die meisten nichtaggressiven Länder und vor allem England und Frankreich von der Politik der kollektiven Sicherheit, von der Politik der kollektiven Abwehr der Aggressoren losgesagt haben, dass sie die Position der Nichteinmischung, die Position der „Neutralität“ bezogen haben.

Formal gesehen könnte man die Politik der Nichteinmischung wie folgt charakterisieren: „Jedes Land möge sich gegen die Aggressoren verteidigen wie es will und wie es kann, wir scheren uns nicht darum, wir werden sowohl mit den Aggressoren als auch mit ihren Opfern Handel treiben.“ In Wirklichkeit bedeutet jedoch die Politik der Nichteinmischung eine Begünstigung der Aggression, die Entfesselung des Krieges und folglich seine Umwandlung in einen Weltkrieg. In der Politik der Nichteinmischung macht sich das Bestreben, der Wunsch geltend, die Aggressoren bei der Ausführung ihres dunklen Werkes nicht zu hindern, zum Beispiel Japan nicht zu hindern, sich in einen Krieg gegen China, noch besser aber gegen die Sowjetunion einzulassen, zum Beispiel Deutschland nicht zu hindern, sich in die europäischen Angelegenheiten zu verstricken, sich in einen Krieg gegen die Sowjetunion einzulassen, alle Kriegsteilnehmer tief in dem Morast des Krieges versinken zu lassen, sie im stillen dazu anzuspornen, dazu zu bringen, dass sie einander schwächen und erschöpfen, dann aber, wenn sie genügend geschwächt sind, mit frischen Kräften auf dem Schauplatz zu erscheinen und, natürlich, „im Interesse des Friedens“ aufzutreten, um den geschwächten Kriegsteilnehmern die Bedingungen zu diktieren.

Wie billig und wie nett!

Nehmen wir zum Beispiel Japan. Es ist charakteristisch, dass alle einflussreichen französischen und englischen Zeitungen vor dem japanischen Einfall in Nordchina schreiend verkündeten, dass China schwach sei, dass es unfähig sei, Widerstand zu leisten, dass Japan mit seiner Armee in zwei, drei Monaten China unterwerfen könnte. Daraufhin nahmen die europäischen und amerikanischen Politiker eine abwartende Stellung ein und spielten den Beobachter. Und dann, als Japan die Kriegshandlungen entfaltete, trat man ihm Schanghai ab, das Herz des ausländischen Kapitals in China, trat man Kanton ab, den Stützpunkt des englischen Monopoleinflusses in Südchina, trat man Hainan ab, ließ man Hongkong einkreisen. Nicht wahr, all das sieht einer Ermunterung der Aggressoren sehr ähnlich: Mögen sie sich weiter in den Krieg verstricken, man wird dann schon sehen.

Oder nehmen wir zum Beispiel Deutschland. Man trat Deutschland Österreich ab, ungeachtet der Verpflichtung, die Selbständigkeit Österreichs zu verteidigen, man trat ihm das Sudetengebiet ab, überließ die Tschechoslowakei ihrem Schicksal, womit man allen und jeden Verpflichtungen zuwiderhandelte, und begann dann in der Presse lärmend zu lügen, dass die „russische Armee schwach“, die „russische Luftflotte zersetzt“ sei, dass es in der Sowjetunion „Unruhen“ gebe, wodurch man die Deutschen anstachelte, weiter nach Osten vorzustoßen, ihnen leichte Beute versprach und ihnen zuredete: Fangt nur den Krieg gegen die Bolschewiki an, weiter wird alles gut gehen. Man muss zugeben, dass dies ebenfalls einem Antreiben, einer Ermunterung des Aggressors sehr ähnlich sieht.

Kennzeichnend ist der Lärm, den die englische, französische und nordamerikanische Presse um die Sowjetukraine erhob. Die Vertreter dieser Presse schrieen sich heiser, dass die Deutschen gegen die Sowjetukraine marschieren, dass sie gegenwärtig die so genannte Karpato-Ukraine in Händen haben, die etwa 700000 Einwohner zählt, und dass die Deutschen nicht später als im Frühling dieses Jahres den Anschluss der Sowjetukraine mit mehr als 30 Millionen Einwohnern an die so genannte Karpato-Ukraine vollziehen würden. Es hat den Anschein, als ob dieser verdächtige Lärm den Zweck hatte, bei der Sowjetunion Wut gegen Deutschland zu erregen, die Atmosphäre zu vergiften und einen Konflikt mit Deutschland zu provozieren, ohne dass dazu sichtbare Gründe vorliegen.

Es ist allerdings sehr wohl möglich, dass es in Deutschland Verrückte gibt, die davon träumen, einen Elefanten, d. h. die Sowjetukraine, einer Mücke, d. h. der so genannten Karpato-Ukraine, anzugliedern. Wenn es dort wirklich solche wahnwitzigen Leute gibt, so ist nicht daran zu zweifeln, dass sich in unserem Lande in genügender Zahl Zwangsjacken für solche Verrückten finden würden. (Beifallssturm). Lassen wir aber die Verrückten beiseite und wenden wir uns normalen Menschen zu: Ist es etwa nicht klar, dass es lächerlich und dumm wäre, im Ernst von einem Anschluss der Sowjetukraine an die so genannte Karpato-Ukraine zu sprechen? Man bedenke nur. Die Mücke kommt zum Elefanten und sagt zu ihm, die Hände in die Seiten gestemmt: „He, du, mein lieber Bruder, wie tust du mir doch leid… Du lebst dahin ohne Gutsbesitzer, ohne Kapitalisten, ohne nationale Unterdrückung, ohne faschistische Machthaber, was ist das für ein Leben… Ich schaue dich an und kann nicht umhin zu bemerken: Es gibt keine Rettung für dich, als dich mir anzuschließen… (Allgemeine Heiterkeit). Wohlan denn, ich erlaube dir, dein kleines Gebiet meinem unermesslichen Territorium anzuschließen…“ (Allgemeine Heiterkeit und Beifall).

Noch kennzeichnender ist es, dass gewisse Politiker und Pressevertreter in Europa und in den Vereinigten Staaten, die in Erwartung eines „Feldzugs gegen die Sowjetukraine“ die Geduld verloren haben, selber dazu übergehen, die wahren Hintergründe der Nichteinmischungspolitik zu enthüllen. Sie erklären geradeheraus und geben es schwarz auf weiß zu, dass sie von den Deutschen schwer „enttäuscht“ seien, da diese, statt weiter nach Osten, gegen die Sowjetunion, vorzustoßen, sich – man denke nur – nach Westen wenden und Kolonien verlangen. Der Gedanke liegt nahe, man habe den Deutschen Gebiete der Tschechoslowakei als Kaufpreis für die Verpflichtung gegeben, den Krieg gegen die Sowjetunion zu beginnen, dass sich aber die Deutschen nunmehr weigern, den Wechsel einzulösen, und den Gläubigern die Türe weisen.

Ich bin weit davon entfernt, über die Nichteinmischungspolitik zu moralisieren, von Verrat, von Treubruch und dergleichen zu sprechen. Es wäre naiv, Leuten, die die menschliche Moral nicht anerkennen, Moral zu predigen. Politik ist Politik, wie die alten durchtriebenen bürgerlichen Diplomaten sagen. Es ist jedoch notwendig zu bemerken, dass das große und gefährliche politische Spiel, das die Anhänger der Nichteinmischungspolitik begonnen haben, für sie mit einem ernsten Fiasko enden kann.

So sieht in Wirklichkeit die heute herrschende Nichteinmischungspolitik aus.

Das ist die politische Lage in den kapitalistischen Ländern.

3. Die Sowjetunion und die kapitalistischen Länder

Der Krieg hat eine neue Lage in den Beziehungen zwischen den Ländern geschaffen. Er hat in diese Beziehungen eine Atmosphäre der Unruhe und Unsicherheit hineingetragen. Der Krieg hat die Grundlagen des Friedensregimes der Nachkriegszeit untergraben, die elementarsten Begriffe des Völkerrechts über den Haufen geworfen und dadurch den Wert internationaler Verträge und Verpflichtungen in Frage gestellt. Pazifismus und Abrüstungsprojekte sind begraben worden. An ihre Stelle ist das Rüstungsfieber getreten. Alle Staaten, die kleinen wie die großen, rüsten auf, darunter vor allem diejenigen Staaten, die Nichteinmischungspolitik betreiben. Niemand glaubt mehr den salbungsvollen Reden, dass die Münchener Zugeständnisse an die Aggressoren und das Münchener Abkommen eine neue Ära, eine Ära der „Befriedung“, eingeleitet hätten. Auch die Teilnehmer des Münchener Abkommens selbst, England und Frankreich, schenken ihnen keinen Glauben; sie steigern ihre Rüstungen nicht weniger als die anderen.

Es ist klar, dass die Sowjetunion über diese unheilschwangeren Ereignisse nicht hinwegsehen konnte. Es ist nicht zu bezweifeln, dass jeder, selbst der kleinste Krieg, der irgendwo in einem entfernten Weltwinkel von den Aggressoren begonnen wird, für die friedliebenden Länder eine Gefahr darstellt. Eine umso ernstere Gefahr bedeutet der neue imperialistische Krieg, der bereits mehr als 500 Millionen Menschen in Asien, Afrika und Europa in seinen Bannkreis gezogen hat. Infolgedessen hat unser Land, das unbeirrt die Politik der Erhaltung des Friedens betreibt, gleichzeitig auch eine große Arbeit zur Stärkung der Kampfbereitschaft unserer Roten Armee und unserer Roten Kriegsmarine entfaltet.

Zugleich entschloss sich die Sowjetunion im Interesse der Festigung ihrer internationalen Positionen, auch einige andere Schritte zu unternehmen. Ende 1934 trat unser Land dem Völkerbund bei, ausgehend davon, dass er sich, ungeachtet seiner Schwäche, als eine Stätte zur Entlarvung der Aggressoren eignen und als ein gewisses, wenn auch schwaches, Friedensinstrument dienen könne, das imstande wäre, die Entfesselung des Krieges zu hemmen. Die Sowjetunion ist der Ansicht, dass man in so unruhigen Zeiten auch eine so schwache internationale Organisation wie den Völkerbund nicht ignorieren soll. Im Mai 1935 wurde zwischen Frankreich und der Sowjetunion ein Beistandsvertrag für den Fall eines eventuellen Angriffs von Seiten der Aggressoren abgeschlossen. Gleichzeitig wurde ein analoger Vertrag mit der Tschechoslowakei unterzeichnet. Im März 1936 schloss die Sowjetunion einen Beistandsvertrag mit der Mongolischen Volksrepublik ab. Im August 1937 wurde ein auf Gegenseitigkeit beruhender Nichtangriffspakt zwischen der Sowjetunion und der Chinesischen Republik abgeschlossen.

Unter diesen schwierigen internationalen Verhältnissen führte die Sowjetunion ihre Außenpolitik durch, die Sache der Erhaltung des Friedens verfechtend.

Die Außenpolitik der Sowjetunion ist klar und verständlich:

1. Wir sind für den Frieden und für die Festigung sachlicher Beziehungen mit allen Ländern; auf diesem Standpunkt stehen wir und werden wir stehen, soweit diese Länder ebensolche Beziehungen zur Sowjetunion unterhalten werden, soweit sie nicht versuchen, die Interessen unseres Landes zu verletzen.

2. Wir sind für friedliche, freundschaftliche und gutnachbarliche Beziehungen mit allen Nachbarländern, die mit der Sowjetunion eine gemeinsame Grenze haben; auf diesem Standpunkt stehen wir und werden wir stehen, soweit diese Länder ebensolche Beziehungen zur Sowjetunion unterhalten werden, soweit sie nicht versuchen, sei es direkt oder indirekt, die Interessen der Unversehrtheit und Unantastbarkeit der Grenzen des Sowjetstaates zu verletzen.

3. Wir sind für die Unterstützung der Völker, die Opfer der Aggression geworden sind und für die Unabhängigkeit ihrer Heimat kämpfen.

4. Wir fürchten keine Drohungen der Aggressoren und sind bereit, auf einen Schlag der Kriegsbrandstifter, die versuchen sollten, die Unantastbarkeit der Sowjetgrenzen zu verletzen, mit einem doppelten Schlag zu antworten.

Das ist die Außenpolitik der Sowjetunion. (Stürmischer, anhaltender Beifall).

In ihrer Außenpolitik stützt sich die Sowjetunion:

1. auf ihre wachsende wirtschaftliche, politische und kulturelle Macht;

2. auf die moralische und politische Einheit unserer Sowjetgesellschaft;

3. auf die Freundschaft der Völker unseres Landes;

4. auf ihre Rote Armee und Rote Kriegsmarine;

5. auf ihre Friedenspolitik;

6. auf die moralische Unterstützung der Werktätigen aller Länder, deren ureigenstes Interesse die Erhaltung des Friedens ist;

7. auf die Einsicht der Länder, die aus diesen oder jenen Gründen an einer Verletzung des Friedens nicht interessiert sind.

Die Aufgaben der Partei auf dem Gebiet der Außenpolitik bestehen in folgendem:

1. auch in Zukunft eine Politik des Friedens und der Festigung sachlicher Beziehungen mit allen Ländern zu betreiben;

2. Vorsicht zu beobachten und den Kriegsprovokateuren, die es gewohnt sind, sich von anderen die Kastanien aus dem Feuer holen zu lassen, nicht die Möglichkeit zu geben, unser Land in Konflikte hineinzuziehen;

3. die Kampfkraft unserer Roten Armee und unserer Roten Kriegsmarine mit allen Mitteln zu stärken;

4. die internationalen Freundschaftsbeziehungen mit den Werktätigen aller Länder, die am Frieden und an der Freundschaft zwischen den Völkern interessiert sind, zu festigen.

Quelle:

Stalin-Werke, Band 14

RECHENSCHAFTSBERICHT AN DEN XVIII. PARTEITAG
ÜBER DIE ARBEIT DES ZK DER KPDSU(B)

http://www.stalinwerke.de/band14/band14.html

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