Vor hundert Jahren, am 2. Oktober 1920 hielt Lenin auf dem III. Gesamtrussischen Kongreß des Kommunistischen Jugendverbandes Rußlands eine wegweisende Rede über die Aufgaben der Jugendverbände. Lenin stellte fest, dass die Hauptaufgabe des Kommunistischen Jugendverbandes die kommunistische Bildung und Erziehung der jungen Generation ist; er wies darauf hin, dass die kommunistische Bildung unlösbar mit dem Kampf des Proletariats, dem Kampf aller Werktätigen für die Errichtung der kommunistischen Gesellschaft verbunden ist und begründete die Prinzipien der kommunistischen Moral.

Genossen! Ich möchte heute darüber sprechen, welches die grundlegenden Aufgaben des Kommunistischen Jugendverbandes sind, und im Zusammenhang damit auch darüber, welcherart die Organisationen der Jugend in einer sozialistischen Republik überhaupt sein sollen. Auf diese Frage müssen wir um so mehr eingehen, als man in einem gewissen Sinne sagen kann, daß gerade vor der Jugend die eigentliche Aufgabe steht, die kommunistische Gesellschaft zu schaffen. Denn es ist klar, daß die in der kapitalistischen Gesellschaft erzogene Generation der Arbeitenden bestenfalls die Aufgabe lösen können wird, die Grundlagen der alten, kapitalistischen, auf Ausbeutung beruhenden Lebensweise zu zerstören. Sie wird im besten Falle die Aufgabe lösen können, eine solche gesellschaftliche Ordnung zu schaffen, die dem Proletariat und den werktätigen Klassen helfen würde, die Macht zu behaupten und ein festes Fundament zu errichten, auf dem nur eine Generation weiterbauen kann, die bereits unter neuen Bedingungen an die Arbeit geht, nämlich wenn kein Ausbeutungsverhältnis mehr zwischen den Menschen besteht.
Gehe ich nun von diesem Standpunkt aus an die Frage nach den Aufgaben der Jugend heran, so muß ich sagen, daß diese Aufgaben der Jugend im allgemeinen und der kommunistischen Jugendverbände sowie aller möglichen anderen Organisationen im besonderen sich durch ein einziges Wort ausdrücken lassen: Die Aufgabe besteht darin, zu lernen.
Allerdings ist das nur „ein Wort“. Es gibt noch keine Antwort auf die wichtigsten und wesentlichsten Fragen: Was soll man lernen und wie soll man lernen? Hier aber ist das entscheidende, daß zugleich mit der Umgestaltung der alten, kapitalistischen Gesellschaft die Schulung, Erziehung und Bildung der neuen Generationen, die die kommunistische Gesellschaft aufbauen werden, nicht auf alte Art geschehen kann. Die Schulung, Erziehung und Bildung der Jugend muß von dem Material ausgehen, das uns von der alten Gesellschaft hinterlassen worden ist. Wir können den Kommunismus nur aus jener Summe von Kenntnissen, Organisationen und Institutionen aufbauen, mit jenem Vorrat an menschlichen Kräften und Mitteln, die uns die alte Gesellschaft hinterlassen hat. Nur wenn wir die Schulung, Organisierung und Erziehung der Jugend von Grund aus umgestalten, werden wir erreichen können, daß dank den Anstrengungen der jungen Generation eine Gesellschaft geschaffen wird, die der alten nicht gleicht, d.h. eine kommunistische Gesellschaft. Deshalb müssen wir ausführlich auf die Frage eingehen, was wir die Jugend lehren müssen und wie die Jugend lernen muß, wenn sie den Namen Kommunistische Jugend wirklich zu Recht tragen will, und wie wir sie vorbereiten müssen, damit sie imstande sei, das fertig zu bauen und zu vollenden, was wir begonnen haben.
Ich muß sagen, die erste, sollte man meinen, und natürlichste Antwort darauf ist, daß der Jugendverband und überhaupt die gesamte Jugend, die zum Kommunismus übergehen will, den Kommunismus studieren muß.
Aber diese Antwort „den Kommunismus studieren“ ist zu allgemein. Was brauchen wir denn, um den Kommunismus erfolgreich zu studieren? Was müssen wir aus der Summe der allgemeinen Kenntnisse herausgreifen, um uns die Kenntnis des Kommunismus anzueignen? Hier droht uns eine ganze Reihe von Gefahren, die stets und ständig auftauchen, sobald die Aufgabe, den Kommunismus zu studieren, falsch gestellt oder wenn sie allzu einseitig aufgefaßt wird.
Es ist ganz natürlich, daß man beim ersten Blick auf den Gedanken kommt, den Kommunismus studieren — das heiße, sich jene Summe von Kenntnissen anzueignen, die in den kommunistischen Lehrbüchern, Broschüren und Werken dargelegt sind. Aber das Studium des Kommunismus so zu definieren wäre allzu grob und ungenügend. Bestünde das Studium des Kommunismus nur darin, sich das anzueignen, was in den kommunistischen Werken, Büchern und Broschüren dargelegt ist, so könnten wir allzu leicht kommunistische Schriftgelehrte oder Prahlhänse erhalten, das aber würde uns weiter nichts als Schaden und Nachteil bringen, denn diese Leute, die nur gelernt und gelesen hätten, was in den kommunistischen Büchern und Broschüren steht, würden sich als unfähig erweisen, alle diese Kenntnisse zusammenzufassen, und würden nicht so handeln können, wie es der Kommunismus wirklich verlangt.
Eines der größten Übel, eine der größten Plagen, die uns die alte, kapitalistische Gesellschaft hinterlassen hat, ist die tiefe Kluft zwischen Buch und praktischem Leben; denn wir hatten Bücher, in denen alles aufs schönste beschrieben war, aber diese Bücher waren in den meisten Fällen widerlichste heuchlerische Lüge, die uns ein falsches Bild von der kapitalistischen Gesellschaft zeichnete.
Darum wäre die bloße buchstabenmäßige Aneignung dessen, was in den Büchern über den Kommunismus gesagt ist, im höchsten Grade unrichtig. Heute enthalten unsere Reden und Artikel nicht einfach eine Wiederholung dessen, was früher über den Kommunismus gesagt worden ist, denn unsere Reden und Artikel sind mit der tagtäglichen und allseitigen Arbeit verbunden. Ohne Arbeit, ohne Kampf ist das aus den kommunistischen Broschüren und Werken geschöpfte Bücherwissen über den Kommunismus keinen Pfifferling wert, denn es würde nur die alte Kluft zwischen Theorie und Praxis neu aufreißen, jene alte Kluft, die der widerwärtigste Zug der alten, bürgerlichen Gesellschaft war.
Noch gefährlicher wäre es, wollten wir anfangen, uns lediglich die kommunistischen Losungen anzueignen. Würden wir diese Gefahr nicht rechtzeitig erkennen und würden wir nicht unsere ganze Arbeit darauf richten, diese Gefahr zu beseitigen, so würde die halbe Million oder die Million junger Burschen und Mädchen, die sich nach einer solchen Schulung im Kommunismus Kommunisten nennen würden, der Sache des Kommunismus nur schweren Schaden zufügen.
Hier ersteht vor uns die Frage: Wie sollen wir dies alles für die Schulung im Kommunismus aufeinander abstimmen? Was müssen wir von der alten Schule, von der alten Wissenschaft übernehmen? Die alte Schule erklärte, sie wolle einen allseitig gebildeten Menschen erziehen, sie lehre die Wissenschaften schlechthin. Wir wissen, daß das eine einzige Lüge war, denn die ganze Gesellschaft war auf der Teilung der Menschen in Klassen, in Ausbeuter und Unterdrückte, aufgebaut und hielt sich dank dieser Teilung. Natürlich vermittelte die ganze alte Schule, die durch und durch vom Klassengeist durchtränkt war, nur den Kindern der Bourgeoisie Kenntnisse. Jedes ihrer Worte war im Interesse der Bourgeoisie gefälscht.
In diesen Schulen wurde die junge Generation der Arbeiter und Bauern nicht so sehr erzogen als vielmehr im Interesse eben dieser Bourgeoisie abgerichtet. Das Ziel ihrer Erziehung war, für die Bourgeoisie brauchbare Diener heranzubilden, die ihr Profit bringen konnten, zugleich aber ihre Ruhe und ihren Müßiggang nicht störten. Deshalb lehnen wir die alte Schule ab und haben uns die Aufgabe gestellt, ihr nur das zu entnehmen, was wir brauchen, um zu einer wirklichen kommunistischen Bildung zu gelangen.
Hiermit komme ich zu jenen Vorwürfen, zu jenen Anklagen gegen die alte Schule, die man ständig zu hören bekommt und die nicht selten zu ganz falschen Schlüssen führen. Man sagt, die alte Schule sei eine Schule des Auswendiglernens, des Drills, des Büflfelns gewesen. Das ist richtig, dennoch aber muß man zu unterscheiden wissen zwischen dem, was in der alten Schule schlecht war, und dem, was für uns nützlich ist, muß man verstehen, ihr das zu entnehmen, was für den Kommunismus nötig ist.
Die alte Schule war eine Schule des Auswendiglernens, sie zwang die Menschen, sich eine Menge unnützer, überflüssiger, lebloser Kenntnisse anzueignen, die das Hirn verkleisterten und die junge Generation zu Bürokratenseelen machten, die alle über einen Kamm geschoren waren.
Ihr würdet jedoch einen großen Fehler begehen, wolltet ihr daraus den Schluß ziehen, daß man Kommunist werden kann, ohne sich das von der Menschheit angehäufte Wissen anzueignen. Es wäre irrig, zu glauben, daß es genüge, sich die kommunistischen Losungen, die Schlußfolgerungen der kommunistischen Wissenschaft anzueignen, ohne sich jene Summe von Kenntnissen anzueignen, deren Ergebnis der Kommunismus selbst ist. Das Musterbeispiel dafür, wie der Kommunismus aus der Summe des menschlichen Wissens hervorgegangen ist, ist der Marxismus.

Ihr habt davon gelesen und gehört, wie die kommunistische Theorie, die kommunistische Wissenschaft, die in der Hauptsache von Marx geschaffen worden ist — wie diese Lehre des Marxismus aufgehört hat, das Werk eines einzelnen, wenn auch genialen Sozialisten des 19. Jahrhunderts zu sein, wie diese Lehre zur Lehre von Millionen und aber Millionen Proletariern in der ganzen Welt geworden ist, die diese Lehre in ihrem Kampf gegen den Kapitalismus anwenden. Und wenn ihr die Frage stellt, wie es möglich war, daß die Lehre von Marx Millionen und aber Millionen Herzen der revolutionärsten Klasse ergreifen konnte, so kann es darauf nur eine Antwort geben: Das war deshalb möglich, weil Marx sich auf das feste Fundament des menschlichen Wissens stützte, das unter dem Kapitalismus errungen worden war; indem Marx die Entwicklungsgesetze der menschlichen Gesellschaft erforschte, erkannte er die Unvermeidlichkeit der Entwicklung vom Kapitalismus zum Kommunismus, und, was die Hauptsache ist, er erbrachte den Beweis dafür allein auf Grund des exaktesten, gründlichsten und tiefsten Studiums dieser kapitalistischen Gesellschaft, dank der völligen Beherrschung alles dessen, was die frühere Wissenschaft zu bieten hatte. Alles, was von der menschlichen Gesellschaft geschaffen worden war, hat Marx kritisch verarbeitet und nicht einen Punkt unbeachtet gelassen. Alles, was das menschliche Denken hervorgebracht hatte, hat er umgearbeitet, der Kritik unterworfen, an der Arbeiterbewegung überprüft und dann jene Schlußfolgerungen gezogen, die die in den bürgerlichen Rahmen eingezwängten oder an bürgerliche Vorurteile gefesselten Menschen nicht zu ziehen vermochten.
Das müssen wir im Auge behalten, wenn wir zum Beispiel über proletarische Kultur reden. Ohne die klare Einsicht, daß nur durch eine genaue Kenntnis der durch die gesamte Entwicklung der Menschheit geschaffenen Kultur, nur durch ihre Umarbeitung eine proletarische Kultur aufgebaut werden kann — ohne eine solche Einsicht werden wir diese Aufgabe nicht lösen. Die proletarische Kultur fällt nicht vom Himmel, sie ist nicht eine Erfindung von Leuten, die sich als Fachleute für proletarische Kultur bezeichnen. Das ist alles kompletter Unsinn. Die proletarische Kultur muß die gesetzmäßige Weiterentwicklung jener Summe von Kenntnissen sein, die sich die Menschheit unter dem Joch der kapitalistischen Gesellschaft, der Gutsbesitzergesellschaft, der Beamtengesellschaft erarbeitet hat. Alle diese Wege und Pfade führten und führen zur proletarischen Kultur und werden weiter zu ihr führen, genauso, wie die von Marx umgearbeitete politische Ökonomie uns gezeigt hat, wohin die Entwicklung der menschlichen Gesellschaft führen muß, wie sie uns den Übergang zum Klassenkampf, zum Beginn der proletarischen Revolution gewiesen hat.
Wenn wir nicht selten sowohl von Vertretern der Jugend als auch von manchen Verfechtern der neuen Bildung hören, daß sie die alte Schule angreifen, weil sie eine Schule des Büffelns gewesen sei, so sagen wir ihnen, daß wir von der alten Schule das übernehmen müssen, was an ihr gut war. Wir sollen aus der alten Schule nicht den Brauch übernehmen, das Gedächtnis des jungen Menschen mit einer Unmenge von Kenntnissen zu belasten, die zu neun Zehnteln unnütz und zu einem Zehntel entstellt waren, das bedeutet jedoch nicht, daß wir uns mit den kommunistischen Schlußfolgerungen begnügen können und lediglich die kommunistischen Losungen auswendig zu lernen haben. Damit wird man keinen Kommunismus errichten. Kommunist kann einer nur dann werden, wenn er sein Gedächtnis um alle die Schätze bereichert, die von der Menschheit gehoben worden sind.
Wir brauchen das Büffeln nicht, aber wir müssen das Gedächtnis jedes Lernenden durch die Kenntnis der grundlegenden Tatsachen entwickeln und vervollkommnen, denn der Kommunismus wird zu einer hohlen Phrase, zu einem bloßen Aushängeschild und der Kommunist zu einem eitlen Prahlhans, wenn er nicht alle erworbenen Kenntnisse in seinem Bewußtsein verarbeitet. Ihr sollt sie euch nicht nur aneignen, ihr sollt sie euch kritisch aneignen, damit ihr euer Denken nicht mit unnützem Kram belastet, sondern es durch die Kenntnis aller Tatsachen bereichert, die für einen modernen gebildeten Menschen unerläßlich sind. Ein Kommunist, dem es einfiele, sich auf Grund der ihm übermittelten fertigen Schlußfolgerungen mit dem Kommunismus zu brüsten, ohne selbst eine sehr ernste, mühselige, große Arbeit zu leisten, ohne sich in den Tatsachen zurecht zu finden, zu denen kritisch zu verhalten er verpflichtet ist — ein solcher Kommunist wäre eine recht traurige Gestalt. Eine solche Oberflächlichkeit wäre entschieden verderblich. Wenn ich weiß, daß ich wenig weiß, dann werde ich danach trachten, mehr zu wissen; wenn aber jemand erklärt, daß er ein Kommunist ist und kein solides Wissen zu haben braucht, dann wird aus ihm alles andere werden denn ein Kommunist.
Die alte Schule erzog Lakaien, wie sie von den Kapitalisten gebraucht wurden, die alte Schule machte aus den Männern der Wissenschaft Menschen, die schreiben und reden mußten, wie es den Kapitalisten paßte. Eben darum müssen wir diese Schule beseitigen. Aber wenn wir sie beseitigen, wenn wir sie zerstören müssen, heißt das, daß wir ihr nicht all das entnehmen sollen, was die Menschheit an Notwendigem für die Menschen zusammengetragen hat? Heißt das, daß wir es nicht verstehen müssen, einen Unterschied zu machen zwischen dem, was für den Kapitalismus notwendig war, und dem, was für den Kommunismus notwendig ist?

An die Stelle des alten Drills, der in der bürgerlichen Gesellschaft entgegen dem Willen der Mehrheit üblich war, setzen wir die bewußte Disziplin der Arbeiter und Bauern, die mit dem Haß auf die alte Gesellschaft, die Entschlossenheit, Fähigkeit und Bereitschaft zum Zusammenschluß, zur Organisation der Kräfte für diesen Kampf verbinden, um aus dem Willen von Millionen und aber Millionen vereinzelter, zersplitterter, über das ganze riesige Land verstreuter Menschen einen einheitlichen Willen zu schmieden, denn ohne diesen einheitlichen Willen werden wir unweigerlich geschlagen werden. Ohne diesen Zusammenschluß, ohne diese bewußte Disziplin der Arbeiter und Bauern ist unsere Sache aussichtslos. Ohne das werden wir die Kapitalisten und Gutsbesitzer der ganzen Welt nicht besiegen können. Wir werden nicht einmal das Fundament befestigen, geschweige denn auf diesem Fundament die neue, die kommunistische Gesellschaft aufbauen. Genauso müssen wir, obwohl wir die alte Schule ablehnen, einen durchaus berechtigten und notwendigen Haß gegen diese alte Schule hegen und die Bereitschaft hochschätzen, die alte Schule zu zerstören, dennoch begreifen, daß wir das alte Auswendiglernen, das alte Büffeln, den alten Drill durch die Fähigkeit ersetzen müssen, uns die ganze Summe menschlicher Kenntnisse anzueignen, und zwar so anzueignen, daß der Kommunismus bei euch nicht etwas Angelerntes ist, sondern etwas, was ihr selber durchdacht habt, die Summe der Schlußfolgerungen, die vom Standpunkt der modernen Bildung unerläßlich sind.
So muß man die grundlegenden Aufgaben stellen, wenn wir von der Aufgabe sprechen, den Kommunismus erfolgreich zu studieren.
Um euch das zu erklären und zugleich an die Frage heranzugehen, wie gelernt werden muß, nehme ich ein Beispiel aus der Praxis. Ihr alle wißt, daß vor uns jetzt, unmittelbar nach den militärischen Aufgaben, den Aufgaben des Schutzes der Republik, die wirtschaftliche Aufgabe ersteht. Wir wissen, daß man die kommunistische Gesellschaft nicht aufbauen kann, ohne die Industrie und die Landwirtschaft wiederherzustellen, und zwar darf man sie nicht auf alte Art wiederherstellen. Man muß sie auf moderner, nach dem letzten Wort der Wissenschaft errichteter Grundlage wiederherstellen. Ihr wißt, daß diese Grundlage die Elektrizität ist, und ihr werdet nur dann, wenn das ganze Land, jeder Zweig der Industrie und der Landwirtschaft elektrifiziert ist, ihr werdet nur dann, wenn ihr diese Aufgabe bewältigt, für euch jene kommunistische Gesellschaft aufbauen können, die aufzubauen die alte Generation nicht vermag. Ihr steht vor der Aufgabe der wirtschaftlichen Wiedergeburt des ganzen Landes, der Reorganisierung, der Wiederherstellung sowohl der Landwirtschaft als auch der Industrie auf moderner technischer Grundlage, die auf der modernen Wissenschaft und Technik, auf der Elektrizität beruht. Ihr versteht ausgezeichnet, daß man Analphabeten bei der Elektrifizierung nicht brauchen kann, und auch die einfache Schulbildung reicht hier nicht aus. Hier genügt es nicht, zu wissen, was Elektrizität ist; man muß wissen, wie sie sowohl in der Industrie als auch in der Landwirtschaft und in den einzelnen Zweigen von Industrie und Landwirtschaft technisch anzuwenden ist. Man muß das selber lernen und muß es der ganzen heranwachsenden werktätigen Generation beibringen. Das ist die Aufgabe, vor der jeder bewußte Kommunist und jeder junge Mensch steht, der sich für einen Kommunisten hält und sich klar darüber ist, daß er durch den Eintritt in den Kommunistischen Jugendverband die Aufgabe übernommen hat, der Partei beim Aufbau des Kommunismus zu helfen und der ganzen jungen Generation bei der Errichtung der kommunistischen Gesellschaft zu helfen. Er muß begreifen, daß er das nur auf Grund der modernen Bildung zuwege bringen kann und daß, wenn er diese Bildung nicht hat, der Kommunismus ein frommer Wunsch bleiben wird.
Die Aufgabe der vorhergehenden Generation lief darauf hinaus, die Bourgeoisie zu stürzen. Damals bestand die Hauptaufgabe darin, Kritik an der Bourgeoisie zu üben, in den Massen den Haß gegen sie zu wecken, das Klassenbewußtsein zu entwickeln und zu lernen, die eigenen Kräfte zusammen zu schließen. Die neue Generation steht vor einer schwierigeren Aufgabe. Es ist nicht damit getan, daß ihr alle eure Kräfte zusammenschließt, um die Arbeiter- und Bauernmacht gegen jeden Überfall der Kapitalisten zu behaupten. Das müßt ihr tun. Das habt ihr ausgezeichnet begriffen, das leuchtet jedem Kommunisten ohne weiteres ein. Aber das ist nicht genug. Ihr müßt die kommunistische Gesellschaft aufbauen. Die erste Hälfte der Arbeit ist in vieler Hinsicht schon getan. Das Alte ist zerstört, wie es ja auch verdient hatte, zerstört zu werden; es ist ein Trümmerhaufen, wie es ja auch verdient hatte, in einen Trümmerhaufen verwandelt zu werden. Der Boden ist gesäubert, und auf diesem Boden muß die junge kommunistische Generation die kommunistische Gesellschaft aufbauen. Ihr steht vor der Aufgabe des Aufbaus, und ihr könnt diese Aufgabe nur lösen, wenn ihr euch das ganze heutige Wissen angeeignet habt, wenn ihr es versteht, den Kommunismus aus fertigen, auswendig gelernten Formeln, Ratschlägen, Rezepten, Vorschriften und Programmen zu etwas Lebendigem zu machen, das eure unmittelbare Arbeit zusammenfaßt, wenn ihr es versteht, den Kommunismus zum Leitfaden für eure praktische Arbeit zu machen.
Das ist eure Aufgabe, von der ihr euch bei der Bildung, Erziehung, Höherentwicklung der gesamten jungen Generation leiten lassen müßt. Ihr müßt die ersten sein unter den Millionen Erbauern der kommunistischen Gesellschaft, zu denen jeder junge Mann, jedes junge Mädchen gehören muß. Wird nicht die gesamte Masse der Arbeiter- und Bauernjugend zu diesem Aufbau des Kommunismus herangezogen, so werdet ihr die kommunistische Gesellschaft nicht errichten.

Hier komme ich naturgemäß zu der Frage: Wie müssen wir den
Kommunismus lehren, worin muß die Eigenart unserer Methoden bestehen?
Ich will hier vor allem auf die Frage der kommunistischen Moral eingehen.
Ihr sollt aus euch Kommunisten erziehen. Die Aufgabe des Jugendverbandes ist es, seine praktische Tätigkeit so zu gestalten, daß diese Jugend, indem sie lernt, sich organisiert, sich zusammenschließt und kämpft, sich selbst und alle diejenigen erzieht, die in ihr den Führer sehen, daß sie Kommunisten erzieht. Die ganze Erziehung, Bildung und Schulung der heutigen Jugend muß eine Erziehung zur kommunistischen Moral sein.
Aber gibt es denn eine kommunistische Moral? Gibt es eine kommunistische Sittlichkeit? Natürlich gibt es sie. Oft stellt man die Sache so hin, als ob wir keine eigene Moral hätten, und sehr oft erhebt die Bourgeoisie gegen uns die Beschuldigung, daß wir Kommunisten jede Moral verneinen. Das ist ein Dreh, um die Begriffe zu verwirren, um den Arbeitern und Bauern Sand in die Augen zu streuen.
In welchem Sinne verneinen wir die Moral, verneinen wir die Sittlichkeit?
In dem Sinne, in dem die Bourgeoisie sie predigte, die diese Sittlichkeit aus Gottes Geboten ableitete. Hier sagen wir natürlich, daß wir an Gott nicht glauben und sehr wohl wissen, daß im Namen Gottes die Geistlichkeit redete, die Gutsbesitzer und die Bourgeoisie redeten, um ihre Ausbeuterinteressen durchzusetzen. Oder anstatt diese Moral aus den Geboten der Sittlichkeit, aus den Geboten Gottes abzuleiten, leiteten sie sie
aus idealistischen oder halbidealistischen Phrasen ab, die stets ebenfalls auf etwas hinausliefen, das den Geboten Gottes sehr ähnlich sah.
Jede solche Sittlichkeit, die von einem übernatürlichen, klassenlosen Begriff abgeleitet wird, lehnen wir ab. Wir sagen, daß das ein Betrug ist, daß das ein Schwindel ist, um die Hirne der Arbeiter und Bauern im Interesse der Gutsbesitzer und Kapitalisten zu verkleistern.
Wir sagen, daß unsere Sittlichkeit völlig den Interessen des proletarischen Klassenkampfes untergeordnet ist. Unsere Sittlichkeit ist von den Interessen des proletarischen Klassenkampfes abgeleitet.
Die alte Gesellschaft beruhte auf der Unterdrückung aller Arbeiter und Bauern durch die Gutsbesitzer und Kapitalisten. Wir mußten diese Gesellschaft zerstören, mußten diese Leute stürzen. Dazu bedurfte es aber der Vereinigung. Der liebe Gott wird eine solche Vereinigung nicht erschaffen. Eine solche Vereinigung konnten nur die Fabriken und Werke, konnte nur das geschulte, aus langem Schlaf erwachte Proletariat zustande bringen. Erst mit der Entstehung dieser Klasse begann die Massenbewegung, die zu dem geführt hat, was wir jetzt sehen: zum Sieg der proletarischen Revolution in einem der schwächsten Länder, das sich seit drei Jahren gegen den Ansturm der ganzen Weltbourgeoisie behauptet. Und wir sehen, wie die proletarische Revolution in der ganzen Welt wächst. Wir können jetzt auf Grund der Erfahrung sagen, daß nur das Proletariat imstande war, eine solche geschlossene Kraft zu schaffen, der die zersplitterte, verstreute Bauernschaft folgt und die allen Anstürmen der Ausbeuter standgehalten hat. Nur diese Klasse kann den werktätigen Massen helfen, sich zu vereinigen, sich zusammenzuschließen und die kommunistische Gesellschaft endgültig zu behaupten, endgültig zu festigen, ihren Aufbau endgültig zu vollenden.
Eben deshalb sagen wir: Für uns gibt es keine Sittlichkeit außerhalb der menschlichen Gesellschaft, das ist Betrug. Für uns ist die Sittlichkeit den Interessen des proletarischen Klassenkampfes untergeordnet.
Worin aber besteht dieser Klassenkampf? Darin, den Zaren zu stürzen, die Kapitalisten zu stürzen, die Kapitalistenklasse abzuschaffen.
Was aber sind die Klassen überhaupt? Sie sind das, was es einem Teil der Gesellschaft erlaubt, sich die Arbeit des anderen Teils anzueignen. Wenn sich ein Teil der Gesellschaft den gesamten Grund und Boden aneignet, so haben wir die Klassen der Gutsbesitzer und der Bauern. Wenn ein Teil der Gesellschaft Fabriken und Werke, Aktien und Kapitalien besitzt, während der andere Teil in diesen Fabriken arbeitet, so haben wir die Klassen der Kapitalisten und der Proletarier.
Es war nicht schwer, den Zaren davonzujagen. Dazu bedurfte es nur einiger Tage. Es war nicht sehr schwer, die Gutsbesitzer davonzujagen, dazu genügten einige Monate. Es ist auch nicht sehr schwer, die Kapitalisten davonzujagen. Aber die Klassen abzuschaffen ist unvergleichlich schwerer; noch immer ist die Teilung in Arbeiter und Bauern geblieben. Wenn der Bauer auf seinem abgesonderten Grundstück sitzt und das überschüssige Getreide zurückhält, d. h. Getreide, das er weder für sich noch für sein Vieh braucht, während alle anderen ohne Brot bleiben, so verwandelt sich dieser Bauer bereits in einen Ausbeuter. Je mehr Getreide er für sich zurückbehält, um so vorteilhafter für ihn, mögen die anderen ruhig hungern: „Je mehr sie hungern, um so teurer werde ich dieses Getreide verkaufen.“ Nötig ist, daß alle nach einem einzigen gemeinsamen Plan arbeiten, auf gemeinsamem Boden, in gemeinsamen Fabriken und Werken und nach einer gemeinsamen Ordnung. Ist es leicht, das zu tun?
Ihr seht, die Lösung dieser Aufgabe ist nicht so leicht wie die Vertreibung des Zaren, der Gutsbesitzer und Kapitalisten. Dazu ist nötig, daß das Proletariat einen Teil der Bauern umerzieht, ummodelt, daß es die werktätigen Bauern auf seine Seite herüberzieht, um den Widerstand der reichen Bauern zu brechen, die aus der Not der übrigen fette Gewinne ziehen. Die Aufgabe des proletarischen Kampfes ist also noch nicht damit
beendet, daß wir den Zaren gestürzt, die Gutsbesitzer und Kapitalisten davongejagt haben, und sie zu vollenden ist eben die Aufgabe jener Ordnung, die wir als Diktatur des Proletariats bezeichnen.
Der Klassenkampf geht weiter; er hat nur seine Formen geändert. Diesen Klassenkampf führt das Proletariat, damit die alten Ausbeuter nicht zurückkehren können, damit die zersplitterte Masse der unaufgeklärten Bauernschaft sich zu einem Bund zusammenschließt. Der Klassenkampf geht weiter, und es ist unsere Aufgabe, alle Interessen diesem Kampf unterzuordnen. Und wir ordnen unsere kommunistische Sittlichkeit dieser Aufgabe unter. Wir sagen: Sittlich ist, was der Zerstörung der alten Ausbeutergesellschaft und dem Zusammenschluß aller Werktätigen um das Proletariat dient, das eine neue, die kommunistische Gesellschaft aufbaut.
Die kommunistische Sittlichkeit ist jene Sittlichkeit, die diesem Kampf dient und die Werktätigen zusammenschließt gegen jede Ausbeutung, gegen jedes Kleineigentum, denn das Kleineigentum liefert dem einzelnen das aus, was durch die Arbeit der ganzen Gesellschaft geschaffen worden ist. Der Grund und Boden gilt bei uns als Gemeineigentum.
Und wenn ich mir nun von diesem Gemeineigentum ein Stück nehme, darauf doppelt soviel Getreide anbaue, wie ich für mich brauche, und mit dem Getreideüberschuß spekuliere? Wenn ich so rechne: Je mehr Leute hungern, um so höher der Preis?Handle ich da etwa wie ein Kommunist? Nein! Wie ein Ausbeuter, wie ein Eigentümer! Dagegen müssen wir kämpfen. Wenn wir uns damit abfinden, so wird die ganze Entwicklung zurückgehen, zurück zur Macht der Kapitalisten, zur Macht der Bourgeoisie, wie das in früheren Revolutionen mehr als einmal der Fall gewesen ist. Wollen wir die Wiederherstellung der Macht der Kapitalisten und der Bourgeoisie verhindern, so dürfen wir keinen Krämergeist dulden und nicht zulassen, daß sich einzelne Personen auf Kosten anderer bereichern, so müssen sich alle Werktätigen mit dem Proletariat zusammenschließen und gemeinsam die kommunistische Gesellschaft bilden. Gerade darin besteht das Hauptmerkmal der grundlegenden Aufgabe, die dem Verband und der Organisation der kommunistischen Jugend gestellt ist.
Die alte Gesellschaft beruhte auf dem Prinzip: Entweder raube ich den anderen aus, oder er raubt mich aus; entweder arbeite ich für den anderen, oder er arbeitet für mich; entweder bin ich Sklavenhalter, oder ich bin Sklave. Und es ist begreiflich, daß die in dieser Gesellschaft erzogenen Menschen diese Sinnesart, diese Gewohnheiten und Begriffe — entweder Sklavenhalter oder Sklave oder Kleineigentümer, kleiner Angestellter, kleiner Beamter, Intellektueller, kurzum ein Mensch, der nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist und den der andere nichts angeht — sozusagen mit der Muttermilch einsaugen.
Wenn ich auf diesem Grundstück wirtschafte, was kümmert mich der andere? Falls er hungert, um so besser, denn um so teurer werde ich mein Getreide verkaufen. Wenn ich als Arzt, als Ingenieur, Lehrer oder Angestellter mein warmes Pöstchen habe, was kümmert mich der andere? Vielleicht kann ich mir durch Duldsamkeit, durch Liebedienerei vor den Machthabern mein Pöstchen erhalten und sogar emporkommen, zum Bourgeois aufsteigen. Eine solche Sinnesart und eine solche Stimmung darf es beim Kommunisten nicht geben. Als die Arbeiter und Bauern den Beweis erbrachten, daß wir imstande sind, uns durch unsere eigene Kraft zu behaupten und eine neue Gesellschaft zu schaffen, da begann auch die neue, die kommunistische Erziehung, die Erziehung im Kampf gegen die Ausbeuter, die Erziehung im Bund mit dem Proletariat, gegen die Egoisten und Kleineigentümer, gegen jene Sinnesart und jene Gewohnheiten, die da besagen: Ich bin auf meinen eigenen Vorteil bedacht, und alles andere kümmert mich nicht.
Das ist die Antwort auf die Frage, wie die junge, heranwachsende Generation den Kommunismus studieren muß.
Sie kann den Kommunismus nur studieren, wenn sie jeden Schritt ihrer Schulung, Erziehung und Bildung mit dem ununterbrochenen Kampf der Proletarier und Werktätigen gegen die alte Ausbeutergesellschaft verknüpft. Redet man uns von Sittlichkeit, so sagen wir: Für den Kommunisten besteht die Sittlichkeit ganz und gar in dieser festen, solidarischen Disziplin und in dem bewußten Kampf der Massen gegen die Ausbeuter. An eine ewige Sittlichkeit glauben wir nicht, und wir entlarven den Betrug, der durch alle möglichen Märchen über Sittlichkeit verbreitet wird. Die Sittlichkeit ist dazu da, die menschliche Gesellschaft emporzuheben und sie von der Ausbeutung der Arbeit zu befreien.
Um das zu verwirklichen, bedarf es jener Generation der Jugend, die sich unter den Bedingungen des disziplinierten, erbitterten Kampfes gegen die Bourgeoisie in bewußte Menschen zu verwandeln begonnen hat. In diesem Kampf wird sie wahre Kommunisten erziehen, jeder Schritt in ihrer Schulung, Bildung und Erziehung muß diesem Kampf untergeordnet und mit ihm verknüpft sein. Die Erziehung der kommunistischen Jugend darf nicht darin bestehen, daß man ihr alle möglichen erbaulichen Reden hält und sittliche Regeln predigt. Nicht darin besteht die Erziehung. Wenn die Menschen gesehen haben, wie ihre Väter und Mütter unter dem Joch der Gutsbesitzer und Kapitalisten lebten; wenn sie selber an den Qualen teil hatten, die der erduldete, der den Kampf gegen die Ausbeuter aufnahm; wenn sie gesehen haben, welche Opfer die Fortsetzung dieses Kampfes kostet, um das Errungene zu behaupten, und was für wütende Feinde die Gutsbesitzer und Kapitalisten sind — so werden diese Menschen unter diesen Verhältnissen zu Kommunisten erzogen. Die Grundlage der kommunistischen Sittlichkeit ist der Kampf für die Festigung und Vollendung des Kommunismus. Darin besteht denn auch die Grundlage der kommunistischen Erziehung, Bildung und Schulung. Da habt ihr die Antwort auf die Frage, wie man den Kommunismus studieren soll.

Wir würden zur Schulung, Erziehung und Bildung kein Vertrauen haben, wenn sie sich auf die Schule beschränkte und von den Stürmen des Lebens losgelöst wäre. Solange die Arbeiter und Bauern von den Gutsbesitzern und Kapitalisten unterdrückt sind, solange sich die Schulen in den Händen der Gutsbesitzer und Kapitalisten befinden, bleibt die junge Generation blind und unwissend. Unsere Schule aber soll der Jugend die Grundlagen des Wissens vermitteln, sie soll sie befähigen, sich selbständig kommunistische Anschauungen zu erarbeiten, soll aus ihr gebildete Menschen machen. Sie soll die Menschen, während diese in der Schule lernen, zu Teilnehmern am Kampf für die Befreiung von den Ausbeutern erziehen. Der Kommunistische Jugendverband wird erst dann seinen Namen rechtfertigen und beweisen, daß er wirklich ein Bund der kommunistischen jungen Generation ist, wenn er jeden Schritt seiner Schulung, Erziehung und Bildung mit der Teilnahme am gemeinsamen Kampf aller Werktätigen gegen die Ausbeuter verbindet. Denn ihr wißt sehr wohl, daß wir, solange Rußland die einzige Arbeiterrepublik bleibt, während in der ganzen übrigen Welt die alte bürgerliche Ordnung besteht, schwächer sind als sie; daß uns immer wieder neue Überfälle drohen; daß wir nur, wenn wir es lernen, geschlossen und einmütig zu handeln, im weiteren Kampf siegen und, stärker geworden, in der Tat unüberwindlich werden. Kommunist sein heißt also die gesamte heranwachsende Generation organisieren und zusammenschließen, ein Beispiel der Erziehung und Disziplin in diesem Kampf geben. Erst dann werdet ihr die Aufgabe, das Gebäude der kommunistischen Gesellschaft zu errichten, in Angriff nehmen und zu Ende führen können.
Um euch das recht klar zu machen, will ich ein Beispiel anführen. Wir nennen uns Kommunisten. Was heißt Kommunist? Kommunist ist ein lateinisches Wort. Communis heißt gemeinsam. Kommunistische Gesellschaft, das heißt — alles ist gemeinsam: der Grund und Boden, die Fabriken, und auch die Arbeit ist gemeinsam — das ist Kommunismus.
Kann es eine gemeinsame Arbeit geben, wenn ein jeder auf seiner eigenen Parzelle wirtschaftet? Mit einem Schlag läßt sich die gemeinsame Arbeit nicht schaffen. Das ist unmöglich, so etwas fällt nicht vom Himmel. Es muß sauer erarbeitet, mühevoll errungen, muß geschaffen werden. Es wird im Verlauf des Kampfes geschaffen. Die alten Bücher genügen hier nicht — den Büchern würde niemand Glauben schenken. Hier bedarf es der eigenen Lebenserfahrung. Als Koltschak und Denikin aus Sibirien und dem Süden vorrückten, da waren die Bauern auf ihrer Seite. Der Bolschewismus gefiel ihnen nicht, weil die Bolschewiki das Getreide zu einem festen Preis abnehmen. Als jedoch die Bauern in Sibirien und in der Ukraine die Herrschaft Koltschaks und Denikins zu spüren bekamen, da erkannten sie, daß dem Bauern keine Wahl bleibt: Entweder er leistet dem Kapitalisten Gefolgschaft, der ihn der Knechtung durch den Gutsbesitzer ausliefert, oder er folgt dem Arbeiter, der ihm zwar kein Schlaraffenland verspricht, der von ihm eiserne Disziplin und Standhaftigkeit im schweren Kampf verlangt, der ihn aber aus der Knechtschaft der Kapitalisten und Gutsbesitzer herausführt. Als sogar die unwissenden Bauern das auf Grund ihrer eigenen Erfahrung begriffen und erkannten, da wurden sie, die eine schwere Schule durchgemacht hatten, zu bewußten Anhängern des Kommunismus. Eine solche Erfahrung muß auch der Kommunistische Jugendverband seiner gesamten Tätigkeit zugrunde legen.
Ich habe die Fragen beantwortet, was wir lernen müssen, was wir von der alten Schule und der alten Wissenschaft zu übernehmen haben. Ich will nun auch die Frage zu beantworten versuchen, wie wir das lernen müssen: nur indem wir jeden Schritt der Arbeit in der Schule, jeden Schritt auf dem Gebiet der Erziehung, Bildung und Schulung unlöslich mit dem Kampf aller Werktätigen gegen die Ausbeuter verknüpfen.
An einigen Beispielen aus der Erfahrung der Arbeit der einen oder anderen Organisation der Jugend werde ich euch anschaulich zeigen, wie diese Erziehung zum Kommunismus vor sich gehen muß. Alle Welt spricht von der Liquidierung des Analphabetentums. Ihr wißt, daß man in einem Lande von Analphabeten die kommunistische Gesellschaft nicht aufbauen kann. Es genügt nicht, daß die Sowjetmacht eine Verfügung erläßt oder daß die Partei eine bestimmte Losung ausgibt oder daß ein bestimmter Teil der besten Funktionäre für diese Sache mobilisiert wird. Hierzu ist nötig, daß die junge Generation selbst dieses Werk in Angriff nimmt. Der Kommunismus besteht darin, daß jene Jugend, alle die Burschen und Mädchen, die Mitglieder des Jugendverbandes sind, sich sagen: Das ist unsere Sache, wir werden uns zusammentun und aufs Land gehen, um dort das Analphabetentum zu liquidieren, damit es unter unserer heranwachsenden Generation keine Analphabeten gebe. Wir werden danach trachten, daß sich die Aktivität der heranwachsenden Jugend diesem Werk zuwendet. Ihr wißt, daß man Rußland nicht so schnell aus einem unwissenden, analphabetischen Land in ein gebildetes Land verwandeln kann; aber wenn sich der Jugendverband dieser Sache annimmt, wenn die gesamte Jugend zum Nutzen der Allgemeinheit arbeitet, dann wird dieser Verband, der 400 000 Burschen und Mädchen in seinen Reihen zählt, den Namen Kommunistischer Jugendverband zu Recht tragen. Die Aufgabe des Verbandes besteht weiter darin, daß er die verschiedenen von ihm erworbenen Kenntnisse dazu benutzt, denjenigen Jugendlichen zu helfen, die selbst nicht imstande sind, sich aus der Finsternis des Analphabetentums zu befreien. Mitglied des Jugendverbandes sein heißt seine Arbeit,
seine Kräfte in den Dienst der gemeinsamen Sache stellen. Eben darin besteht die kommunistische Erziehung. Nur durch eine solche Arbeit werden der junge Mann und das junge Mädchen zu wahren Kommunisten. Nur wenn sie es verstehen, bei dieser Arbeit praktische Erfolge zu erzielen, werden sie zu Kommunisten.
Nehmen wir als Beispiel die Arbeit in den Gemüsegärten am Stadtrand. Gibt es da etwa nichts zu tun? Hier liegt eine der Aufgaben des Kommunistischen Jugendverbandes. Das Volk hungert, in den Fabriken und Werken herrscht Hunger. Um sich vor der Hungersnot zu retten, muß man den Gemüsebau entwickeln, die Landwirtschaft aber wird auf alte Weise betrieben. Hier müssen nun die politisch bewußten Elemente die Sache in die Hand nehmen, und ihr werdet dann sehen, daß die Gemüsegärten zunehmen, daß sich die Anbaufläche erweitert und daß die Ergebnisse besser werden. An diesem Werk muß der Kommunistische Jugendverband aktiv Anteil nehmen. Jede Organisation oder Zelle des Verbandes muß diese Sache als ihre ureigene Angelegenheit betrachten.
Der Kommunistische Jugendverband muß ein Stoßtrupp sein, der bei jeder Arbeit mithilft, mit seiner Initiative, mit seinem guten Beispiel vorangeht. Der Verband muß so beschaffen sein, daß jeder beliebige Arbeiter in ihm Menschen sieht, deren Lehre ihm unverständlich sein mag, deren Lehre er vielleicht nicht sofort Glauben schenkt, an deren lebendiger Arbeit, an deren Betätigung er aber erkennt, daß dies wirklich Menschen
sind, die ihm den richtigen Weg weisen.
Versteht es der Kommunistische Jugendverband nicht, auf allen Gebieten seine Arbeit solcherart zu gestalten, so bedeutet das, daß er auf den alten, den bürgerlichen Weg abirrt. Wir müssen unsere Erziehung mit dem Kampf der Werktätigen gegen die Ausbeuter verknüpfen, um ersteren die Aufgaben lösen zu helfen, die sich aus der Lehre des Kommunismus ergeben.
Die Mitglieder des Verbandes müssen jede freie Stunde darauf verwenden, den Gemüsebau zu heben oder in irgendeiner Fabrik, irgendeinem Werk die Schulung der Jugend zu organisieren usw. Wir wollen aus dem armen und kümmerlichen Rußland ein reiches Land machen. Dazu ist nötig, daß der Kommunistische Jugendverband seine Bildung, Schulung und Erziehung mit der Arbeit der Arbeiter und Bauern vereinigt, daß er sich nicht in seinen Schulen abschließt und sich nicht auf das Lesen von kommunistischen Büchern und Broschüren beschränkt. Nur in der gemeinsamen Arbeit mit den Arbeitern und Bauern kann man ein wahrer Kommunist werden. Alle müssen sehen, daß jedes Mitglied des Jugendverbandes ein gebildeter Mensch ist, der aber auch zu arbeiten versteht. Wenn alle sehen, wie wir aus der alten Schule den alten Drill hinausgejagt und durch bewußte Disziplin ersetzt haben, wie alle jungen Menschen am Subbotnik teilnehmen, wie sie jeden Gemüsegarten am Stadtrand ausnutzen, um der Bevölkerung zu helfen, dann wird das Volk mit anderen Augen auf die Arbeit schauen als früher.
Die Aufgabe des Kommunistischen Jugendverbandes besteht darin, im Dorf oder im Wohnviertel mitzuhelfen bei solchen Dingen — um ein kleines Beispiel zu nehmen — wie der Förderung von Sauberkeit oder der Verteilung von Lebensmitteln. Wie stand es damit in der kapitalistischen alten Gesellschaft? Jeder arbeitete nur für sich, und niemand kümmerte sich darum, ob es Alte oder Kranke gab oder ob die ganze Wirtschaft auf den Schultern der Frau lastete, die daher in einem Zustand der Unterdrückung und Versklavung lebte. Wer muß dagegen den Kampf aufnehmen? Die Jugendverbände, die erklären müssen: Wir werden das ändern, wir werden Trupps junger Menschen organisieren, die mithelfen werden, die Sauberkeit zu fördern oder Lebensmittel zu verteilen, indem sie systematisch von Haus zu Haus gehen, die in organisierter Weise zum Nutzen der Allgemeinheit arbeiten, die Kräfte richtig verteilen und zeigen, daß die Arbeit eine organisierte Arbeit sein muß.
Die Generation, deren Vertreter heute etwa 50 Jahre alt sind, kann nicht mehr darauf rechnen, die kommunistische Gesellschaft zu erleben. Bis dahin wird diese Generation ausgestorben sein. Aber die Generation, die jetzt 15 Jahre alt ist, die wird die kommunistische Gesellschaft erleben und selber diese Gesellschaft aufbauen. Und sie muß wissen, daß ihre ganze Lebensaufgabe im Aufbau dieser Gesellschaft besteht. In der alten Gesellschaft arbeitete jede einzelne Familie für sich, und niemand vereinte die Arbeit, abgesehen von den Gutsbesitzern und Kapitalisten, die die Volksmassen unterjochten. Wir müssen jede Arbeit, wie schmutzig und schwer sie auch sei, so organisieren, daß jeder Arbeiter und Bauer von sich sagen kann: Ich bin ein Teil der großen Armee der freien Arbeit und kann mein Leben selbst einrichten, ohne Gutsbesitzer und Kapitalisten, ich kann die kommunistische Ordnung aufrichten. Es muß so sein, daß der Kommunistische Jugendverband alle von jungen Jahren an zur bewußten und disziplinierten Arbeit erzieht. Nur so können wir darauf rechnen, daß die Aufgaben gelöst werden, vor denen wir jetzt stehen. Wir müssen damit rechnen, daß nicht weniger als zehn Jahre erforderlich sind, um das Land zu elektrifizieren, damit unserem verarmten Land die neuesten Errungenschaften der Technik zugute kommen. Eben darum muß die Generation, die jetzt 15 Jahre alt ist und die in 10—20 Jahren in der kommunistischen Gesellschaft leben wird, an alle Aufgaben ihres Lernens so herangehen, daß die Jugend tagaus, tagein in jedem beliebigen Dorf, in jeder beliebigen Stadt die eine oder andere Aufgabe der gemeinsamen Arbeit — und sei es die geringste, sei es die einfachste — praktisch löst. In dem Maße, wie das in jedem Dorf geschehen wird, in dem Maße, wie sich der kommunistische Wettbewerb entfalten wird, in dem Maße, wie die Jugend beweisen wird, daß sie vereint zu arbeiten versteht — in dem Maße wird der Erfolg des kommunistischen Aufbaus gesichert sein. Nur wenn der Kommunistische Jugendverband jeden seiner Schritte vom Standpunkt des Gelingens dieses Aufbaus prüft, nur wenn er sich fragt, ob wir alles getan haben, um zu einem festen Bund zielbewußter Werktätiger zu werden, wird er die halbe Million seiner Mitglieder zu einer einzigen Armee der Arbeit zusammenschließen können und sich die allgemeine Achtung erwerben.

(Donnernder Beifall.)
„Prawda“ Nr. 221, 222 und 223, 5., 6. und 7. Oktober 1920.
Nach dem Text der „Prawda“, verglichen mit dem Text der Broschüre: N. Lenin (W. I. Uljanow), „Die Aufgaben der Jugendverbände“, 1920.
Lenin, Werke, Bd. 31, Dietz-Verlag 1966.