In diesem zweiten Teil über die Geschichte der sozialistischen Industrialisierung der UdSSR behandlen wir die Einführung des ersten Fünfjahrplans in der Weltgeschichte und den entschlossenen Kampf gegen die inneren und äußeren Feinde der Sowjetunion, die mit allen Mitteln versuchten ihren Erfolg zu sabotieren und die Herrschaft der Arbeiterklasse, im Bündnis mit der Bauernschaft, zugunsten einer Restauration des Kapitalismus in Russland zu stürzen.
Der erste Fünfjahresplan und der Kurs auf die Kollektivierung
Das erste Jahrzehnt der proletarischen Diktatur war durch große Errungenschaften in der sozialistischen Industrialisierung des Landes gekennzeichnet. Aber die Landwirtschaft, insbesondere die Getreidewirtschaft, stand noch auf einem sehr niedrigen Niveau. Die Einzelbauern vermochten keine hohe Produktivität zu erzielen. Sie hatten keine Möglichkeit, Maschinen und Düngemittel anzuwenden, und konnten sich nicht der Errungenschaften der Wissenschaft und Technik bedienen.
Der Aufstieg der gesamten Volkswirtschaft der UdSSR wurde durch die Zersplitterung und die Rückständigkeit der Landwirtschaft erschwert. Der Warenteil der landwirtschaftlichen Produktion war weit niedriger als vor dem Kriege. Die bäuerliche Kleinwirtschaft verwandelte sich in eine Halbnaturalwirtschaft, und obwohl die Getreideproduktion des Jahres 1927 fast das Niveau von 1913 erreichte, gelangte nur etwas mehr als der dritte Teil des Warengetreides der Vorkriegszeit auf den Markt. Die durch die Sowjetmacht eingeschränkten und verdrängten Kulaken verkauften nur 130 Millionen Pud Getreide gegenüber 650 Millionen Pud Getreide vor der Revolution. Die Kollektivwirtschaften und Sowjetwirtschaften hingegen konnten im Jahre 1927 nur 35 Millionen Pud Warengetreide liefern. Das Getreideproblem stand in aller Schärfe vor der Volkswirtschaft. Um dieses Problem zu lösen, galt es, die Rückständigkeit der Landwirtschaft zu überwinden, die Landwirtschaft mit Maschinen zu versehen und als Großwirtschaften zu organisieren. Aber das war nur auf Grund der gesellschaftlichen Bearbeitung des Bodens möglich.
Genosse Stalin verwies im Dezember 1927 in seinem Rechenschaftsbericht an den XV. Parteitag der KPdSU (B) auf diesen Ausweg: „Der Ausweg“, sagte Genosse Stalin, „liegt im Übergang der kleinen, zersplitterten Bauernwirtschaften zu großen, zusammengeschlossenen Wirtschaften auf der Grundlage der gesellschaftlichen Bodenbestellung, im Übergang zur kollektiven Bodenbestellung auf der Grundlage der modernen, höheren Technik… Einen anderen Ausweg gibt es nicht.“ (Stenographischer Bericht des XV. Parteitags der KPdSU [B], S. 56 russ.)
Der XV. Parteitag ist als der Parteitag der Kollektivierung in die Geschichte eingegangen, denn er zeichnete den Plan vor für die Erweiterung und Festigung des Netzes der Kollektivwirtschaften und Sowjetwirtschaften und gab die Direktive, die Offensive gegen das Kulakentum weiterzuentwickeln.
Auf dem Parteitag wurde ferner beschlossen, den ersten Fünfjahresplan der Volkswirtschaft auszuarbeiten.
Genosse Stalin schätzte die Bedeutung des Überganges zum Fünfjahresplan folgendermaßen ein: „Unsere Pläne sind keine Plan-Prognosen, keine Plan-Vermutungen, sondern Plan-Direktiven, die für die leitenden Organe verbindlich sind und die die Richtung unserer künftigen wirtschaftlichen Entwicklung für das ganze Land bestimmen.“ (Ebenda S. 69 russ.)
Die Offensive gegen das Kulakentum
Mit der Realisierung des ersten Fünfjahresplanes wurde im Herbst 1928 begonnen, als der Klassenkampf äußerst scharfe Formen angenommen hatte. Das Kulakentum nutzte die Schwierigkeiten auf dem Getreidemarkt aus und widersetzte sich, aus Leibeskräften der Getreidebeschaffung. Entsprechend den Direktiven des XV. Parteitags ging die Partei zur entschiedenen Offensive gegen das Kulakentum über. Als Antwort auf die Weigerung des Kulakentums, dem Staat die Getreideüberschüsse zu festen Preisen zu verkaufen, wurden außerordentliche Maßnahmen zur Beschlagnahme der Getreideüberschüsse der Kulaken getroffen. Der Dorfarmut wurden neue Vergünstigungen gewährt. Sie erhielt das Recht auf 25 Prozent des beschlagnahmten Getreides der Kulaken. Durch diese Maßnahmen wurde das Kulakentum isoliert und sein Widerstand gebrochen.
Der Widerstand der bürgerlichen Spezialisten hatte sich ebenfalls verstärkt. Im Jahre 1928 wurde im Schachty-Revier eine Schädlingsorganisation bürgerlicher Spezialisten aufgedeckt. Die Schädlinge handelten auf Weisung ihrer ehemaligen Herren, der in der Emigration befindlichen Weißgardisten und der ausländischen Kapitalisten, und setzten sich das Ziel, die Entwicklung der Steinkohlenindustrie der UdSSR zu hintertreiben. Sie zerstörten Gruben und Fabriken, führten Brände und Einstürze herbei, beschädigten Maschinen, verschütteten Gruben, verschlechterten auf jede Weise die Lage der Arbeiter, um ihre Unzufriedenheit hervorzurufen. Die Schädlinge wurden zur Verantwortung gezogen und trugen die verdiente Strafe davon.
Das Zentralkomitee der bolschewistischen Partei forderte alle Parteiorganisationen und alle Arbeiter auf, aus dem Schachty-Prozess die Lehre zu ziehen und mittels einer weit entfalteten Selbstkritik die Mängel in der Tätigkeit der Wirtschafts- und Sowjetorganisationen und -behörden aufzudecken. Gleichzeitig wies Genosse Stalin darauf hin, dass die bolschewistischen Wirtschaftler sich selbst die Produktionstechnik gründlich aneignen müssen, damit sie in Zukunft von den Schädlingen aus den Kreisen der alten bürgerlichen Spezialisten nicht betrogen werden können. Die Partei und die Sowjetregierung schritten an die Verbesserung der Ausbildung der jungen Spezialisten. Tausende fähiger und ergebener Leute aus den Reihen der Arbeiterklasse wurden zum Studium geschickt.
Die Offensive der Partei gegen das Kulakentum hatte zur Folge, dass die Bucharin-Rykow-Gruppe offen zur Verteidigung der Kulaken überging. Die Bucharinleute forderten die Aufhebung der außerordentlichen Maßnahmen gegen die Kulaken und wandten sich besonders entschieden gegen den von der Partei eingeschlagenen Kurs auf die Kollektivierung des Dorfes.
Sie wandten sich auch gegen die Industrialisierung, insbesondere gegen die Schaffung der Schwerindustrie, und forderten die Umleitung der Geldmittel aus der Schwerindustrie in die Leichtindustrie.
Die Partei wies die Rechten, als Agenten der Kulaken in der Partei, entschieden zurück. Genosse Stalin sagte, dass „ein Sieg der rechten Abweichung in unserer Partei die Kräfte des Kapitalismus entfesseln, die revolutionären Positionen des Proletariats untergraben und die Chancen für die Wiederherstellung des Kapitalismus in unserem Lande erhöhen würde.“ (Stalin, Fragen des Leninismus, S. 255)
Das Jahr des großen Umschwungs
Im April 1929 wurde auf der XVI. Parteikonferenz der KPdSU (B) der unter Leitung des Genossen Stalin ausgearbeitete erste Fünfjahresplan bestätigt.
Im Fünfjahresplan war der Umfang der Kapitalinvestitionen in der Volkswirtschaft in den Jahren 1928-1933 mit 64,6 Milliarden Rubel festgelegt. Davon sollten in der Industrie, die Elektrifizierung mit eingeschlossen, 19,5 Milliarden Rubel, im Verkehrswesen 10 Milliarden Rubel, in der Landwirtschaft 23,2 Milliarden Rubel investiert werden. Dieser Plan bezweckte, die gesamte Volkswirtschaft der UdSSR mit modernen technischen Mitteln auszurüsten.
Die grandiosen Aufgaben des Fünfjahresplans riefen einen neuen machtvollen Arbeitsaufschwung und eine breite Welle des sozialistischen Wettbewerbs hervor. Die Arbeiter erklärten sich zu Stoßarbeitern der sozialistischen Arbeit und organisierten in den Betrieben Stoßarbeiterbrigaden. Die Arbeiter und die Kollektivbauern erfüllten nicht nur die von der Regierung festgelegten Pläne, sondern überboten sie und stellten höhere Gegenpläne auf. Die Einstellung der Menschen zur Arbeit änderte sich. Die Arbeit verwandelte sich aus Zwang und Fron, wie Genosse Stalin sagte, „in eine Sache der Ehre und Würde, des Ruhmes und Heldentums“.
Im ganzen Lande vollzog sich ein neuer gigantischer Aufbau. Die 1927 begonnenen Bauarbeiten am Dnepr-Wasserkraftwerk wurden voll entfaltet. Dort, wo seit uralten Zeiten die Schifffahrt auf dem Dnepr durch Felsen, und Stromschnellen behindert wurde, entstand ein riesiger, 760 Meter langer und 60 Meter hoher Staudamm. Der Wasserspiegel stieg und überflutete die gefährlichen Stromschnellen. Der Dnepr wurde auf seinem ganzen Lauf schiffbar. Das große Gefälle des Wassers am Staudamm wurde ausgenutzt, um ein mächtiges Wasserkraftwerk zu bauen. Der Bau des riesigen Magnitogorsker Hüttenwerks am Berg Magnitnaja (im Südural), wo jahrhundertelang direkt an der Erdoberfläche ungeheure Vorräte hochwertigen Eisenerzes brachlagen, wurde mit aller Energie betrieben. Im Donezbecken begannen der Bau der Werke von Kramatorsk und Gorlowka und der Umbau der Lugansker Lokomotivfabrik. Es entstanden neue Gruben und Hochöfen. Die Uraler Maschinenwerke, die chemischen Kombinate in Beresniki und Solikamsk befanden sich im Bau. Der Bau großer Automobilwerke in Moskau und in Gorki, der gigantischen Traktorenwerke und Mähdrescherfabriken im Wolgagebiet und in der Ukraine wurde voll entfaltet. Ein riesiges Traktorenwerk entstand in elf Monaten in der Steppe, in der Nähe von Stalingrad. Beim Bau des Dnepr-Wasserkraftwerks und des Stalingrader Traktorenwerks schlugen die Arbeiter die Weltrekorde der Arbeitsproduktivität. Die Geschichte hatte einen solchen Riesenumfang neuer industrieller Bautätigkeit, einen solchen Arbeitsheroismus der Millionenmassen der Arbeiterklasse noch niemals gesehen.
An der Spitze des Aufbaus der Schwerindustrie stand der alte Bolschewik, Schüler Lenins und Stalins, Grigori Konstantinowitsch („Sergo“) Ordshonikidse (1886-1937). Während des Bürgerkrieges war G.K. Ordshonikidse einer der Schöpfer und Organisatoren der Roten Armee gewesen, und in den Jahren des sozialistischen Aufbaus wurde er einer der größten Organisatoren der Siege an der Front des sozialistischen Aufbaus. Seine Unversöhnlichkeit gegen alle Feinde des Sozialismus, seine Prinzipienfestigkeit und Geradlinigkeit, seine kristallene Reinheit, sein herzlicher, schlichter und fürsorglicher Umgang mit den Menschen trugen Ordshonikidse die Liebe und Achtung aller Werktätigen ein. Der erste Fünfjahresplan und seine Erfüllung sind aufs engste mit dem Wirken Sergo Ordshonikidses verbunden, den die Arbeiter und Wirtschaftler den „Feldherrn der Schwerindustrie“ nannten.
Nach dem Arbeitsaufschwung der Arbeitermassen begann der Arbeitsaufschwung im Aufbau der Kollektivwirtschaften. Die Bauernmassen wandten sich den Kollektivwirtschaften zu. Eine große Rolle spielten dabei die Sowjetwirtschaften und die Maschinen- und Traktorenstationen.
Im Frühjahr 1929 beschloss der Rat für Arbeit und Verteidigung, die massenweise Errichtung von Maschinen- und Traktorenstationen in Angriff zu nehmen, und dieser Beschluss wurde energisch in die Tat umgesetzt. Die Bauern kamen in die Sowjetwirtschaften und die Maschinen- und Traktorenstationen, sahen sich die Traktoren bei der Arbeit an und baten, ihnen zu helfen, sich zwecks Bearbeitung des gemeinsamen Bodens mit modernen Maschinen in Kollektivwirtschaften zu vereinigen. Das war der Beginn der Massenbewegung zur Kollektivwirtschaft.
Im Jahre 1928 betrug die Saatfläche der Kollektivwirtschaften 1.390.000 Hektar, im Jahre 1929 bereits 4.262.000 Hektar. In diesem Jahre lieferten die Sowjetwirtschaften und Kollektivwirtschaften 400 Millionen Pud Getreide, davon 130 Millionen Pud Warengetreide. Im Jahre 1929 kamen die Bauern schon nicht mehr einzeln in die Kollektivwirtschaften, sondern ganze Dörfer und Bezirke; der Mittelbauer nahm seinen Weg in die Kollektivwirtschaften. Im Nordkaukasusgebiet, in der Ukraine, an der Mittleren und der Unteren Wolga erfasste die Kollektivierung ganze Bezirke. Es begann die durchgängige Kollektivierung.
Das Jahr 1929 ist in die Geschichte der UdSSR als das „Jahr des großen Umschwungs“ eingegangen. Dieses Jahr ist durch die gewaltigen Erfolge des Sozialismus in der Industrie und in der Landwirtschaft, durch die Wendung des Mittelbauern zu den Kollektivwirtschaften und durch den Beginn der Massenbewegung für die Kollektivwirtschaften gekennzeichnet.

Der Kampf für die sozialistische Umgestaltung der Bauernwirtschaft
Neue Kriegsprovokationen
Die Erfolge der sozialistischen Industrialisierung erleichterten es der Sowjetregierung, den Kampf für den Frieden gegen neue Kriegsprovokationen zu führen. Das weitere Wachstum einer starken Industrie, der Ausbau der Wehrkraft der UdSSR wurden zu einer um so dringlicheren und unaufschiebbaren Aufgabe, als die kapitalistische Umwelt die Kriegsvorbereitungen gegen das Land des Sozialismus aktiv fortsetzte.
Im Jahre 1929 brach eine überaus scharfe Weltwirtschaftskrise aus. Infolge der Krise wurden 24 Millionen Arbeiter auf die Straße geworfen. Die Industriekrise verflocht sich mit der Agrarkrise, unter der Dutzende von Millionen Bauern zu leiden hatten. Die Bourgeoisie suchte einen Ausweg aus der Krise – einerseits in der Niederschlagung der Arbeiterklasse, andererseits in der Entfesselung eines neuen imperialistischen Krieges um die Neuaufteilung der Welt.
Die bürgerliche Presse der ganzen Welt erhob wieder das Geschrei, der Bolschewismus sei der „Feind der Zivilisation“. Die korrupten Blätter verbreiteten die verleumderischen Legenden vom „Sowjetdumping“ und von der „Zwangsarbeit in der UdSSR“. Der Papst rief erneut zum „Kreuzzug“ gegen die Sowjetunion auf. Die Imperialisten versuchten erneut, den Wirtschaftsboykott gegen den proletarischen Staat zu organisieren. Die Regierungen der USA, Frankreichs und Rumäniens erließen Einfuhrverbote für Sowjetwaren. Es begann eine neue Welle von sowjetfeindlichen Provokationen. Eine der größten Provokationen war der Konflikt auf der Ostchina-Bahn, der auf die direkte Forderung der imperialistischen Staaten hin von den konterrevolutionären Kräften in der Mandschurei organisiert wurde. Am 10. Juli 1929 bemächtigten sich die chinesischen Weißgardisten der Ostchina-Bahn und beschossen einige Grenzorte der UdSSR aus Geschützen und Maschinengewehren.
Die Sowjetregierung wandte sich an die Chinesische Zentralregierung und die mandschurischen Behörden mit dem Vorschlag, den Konflikt auf friedlichem Wege beizulegen, und forderte, auf der Ostchina-Bahn den früheren Zustand herzustellen. Die Chinesische Regierung weigerte sich, den berechtigten Forderungen der UdSSR Genüge zu leisten. Darauf brach die Sowjetregierung die diplomatischen und die Handelsbeziehungen mit China ab und traf eine Reihe von Maßnahmen zum Schutze ihrer Grenzen im Fernen Osten. Im August 1929 wurde durch einen Befehl des Volkskommissars für Kriegs- und Marinewesen, K.E. Woroschilows, die „Besondere Fernöstliche Armee“ geschaffen. Im Oktober-November 1929 versetzte diese den chinesischen Weißgardisten einige vernichtende Schläge, und erst danach wurde das Abkommen über die Rückgabe der Ostchina-Bahn an die Sowjetunion unterzeichnet.
Eine solche Wendung im Gang der Ereignisse wirkte ernüchternd auf die Interventionstreiber. Die englische Regierung entschloss sich zur Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zur UdSSR. Auch die Versuche des Wirtschaftsboykotts erlitten Schiffbruch. Anfang 1930 unterzeichnete, die Sowjetregierung neue Handelsverträge mit England, Italien und der Türkei.
Somit hatte die Sowjetunion den neuerlichen Angriff des internationalen Imperialismus zurückgeschlagen und sich die Möglichkeit gesichert, den weiteren Aufbau des Sozialismus unter friedlichen Verhältnissen fortzusetzen.
Die Liquidierung des Kulakentums als Klasse
Die Erfolge der sozialistischen Industrialisierung bewirkten, dass die entscheidende Auseinandersetzung mit dem Kulakentum, der letzten kapitalistischen Klasse in der UdSSR, näher rückte. Das Wachstum der sozialistischen Industrie und der landwirtschaftlichen Genossenschaften, die den Bauern allmählich an die kollektive Wirtschaftsführung gewöhnten, sowie der entschlossene Kampf gegen das Kulakentum in den Jahren 1928/29 hatten den Übergang zur durchgängigen Kollektivierung vorbereitet.
Die sozialistische Umgestaltung der Landwirtschaft der UdSSR war die schwierigste und komplizierteste Aufgabe der Revolution. Im Jahre 1929 gab es in der Landwirtschaft der UdSSR 25 Millionen bäuerliche Einzelwirtschaften, von denen die Wirtschaften der armen Bauern 35 Prozent, der Mittelbauern 60 Prozent und der Kulaken 4-5 Prozent ausmachten. Die Zahl der armen Bauern war in der UdSSR im Vergleich zur Zeit vor der Revolution auf die Hälfte gesunken. Die Wurzeln des Kapitalismus im Dorfe waren jedoch nicht ausgerottet, da die kleinen bäuerlichen Einzelbetriebe noch vorherrschten.
Bis zum Jahre 1929 betrieb die Sowjetmacht die Politik der Einschränkung und der Verdrängung des Kulakentums. Die Sowjetmacht besteuerte den Kulaken nach erhöhten Sätzen, verlangte von ihm, dass er das Getreide zu festen Preisen an den Staat verkaufe, beschränkte die Bodennutzung durch die Kulaken auf ein bestimmtes Maß, beschränkte die Ausdehnung der einzelnen Kulakenwirtschaften u.a.m.
Im Zusammenhang mit dem Wachstum der Kollektivwirtschaften und Sowjetwirtschaften ging die Sowjetregierung Ende 1929 von der Politik der Einschränkung und der Verdrängung des Kulakentums zur Politik der Liquidierung des Kulakentums als Klasse über.
Die Losung der Liquidierung des Kulakentums als Klasse auf Grund der durchgängigen Kollektivierung, die Genosse Stalin am 27. Dezember 1929 ausgab, wurde durch eine spezielle Entschließung des ZK der KPdSU (B) vom 5. Januar 1930 „Über das Tempo der Kollektivierung und die Hilfsmaßnahmen des Staates für den kollektivwirtschaftlichen Aufbau“ bekräftigt. Dieser Beschluss berücksichtigte den ungleichen Grad, in dem die verschiedenen Gebiete der Sowjetunion für die Kollektivierung vorbereitet waren, und teilte die Gebiete der Sowjetunion hinsichtlich des Kollektivierungstempos in drei Gruppen.
- In die erste Gruppe wurden die wichtigsten Getreidegebiete einbezogen, die über mehr Traktoren, mehr Sowjetwirtschaften und mehr Erfahrungen im Kampf gegen das Kulakentum verfügten: der Nordkaukasus, das Mittlere und das Untere Wolgagebiet. Diese Gruppe sollte die Kollektivierung im Frühjahr 1931 im wesentlichen abschließen.
- Die zweite Gruppe der Getreidegebiete – die Ukraine, das Zentrale Schwarzerdegebiet, Sibirien, der Ural und Kasachstan – sollte die Kollektivierung im Frühjahr 1932 abschließen.
- Für die übrigen Gebiete – das Moskauer Gebiet,Transkaukasien, die Mittelasiatischen Republiken usw. – wurden die Termine der Kollektivierung bis zum Jahre 1933, d.h. bis zum Ende des Planjahrfünfts, festgelegt.
Auf Grund dieser Entschließung erfolgte dann im Februar 1930 ein Beschluss des ZK der KPdSU (B) und des Rates der Volkskommissare der UdSSR, demzufolge in den bäuerlichen Einzelwirtschaften die Anwendung der Lohnarbeit abgeschafft wurde. Den örtlichen Sowjets wurde das Recht eingeräumt, in den Gebieten der durchgängigen Kollektivierung alle erforderlichen Maßnahmen zum Kampf gegen das Kulakentum zu treffen, darunter auch das Recht, den Kulakenboden zu beschlagnahmen und die Kulaken aus den betreffenden Gebieten auszusiedeln. Als Hauptform der Kollektivwirtschaft wurde laut Beschluss des ZK der KPdSU (B) vom 5. Januar 1930 das landwirtschaftliche Artel ins Auge gefasst, in dem die hauptsächlichsten Produktionsmittel vergenossenschaftlicht werden.
Gleichzeitig wies das Zentralkomitee der KPdSU (B) auf die Notwendigkeit hin, den Bau von Fabriken zur Herstellung von Traktoren, Mähdreschern und anderen landwirtschaftlichen Maschinen für Großwirtschaften zu beschleunigen. Zur Durchführung der Flurbereinigung und anderer Wirtschaftsaufgaben erhielten die Kollektivwirtschaften für 1929/30 Kredite in Höhe von 500 Millionen Rubel. Das Kulakentum wurde ebenso expropriiert, wie im Jahre 1918 die Kapitalisten in der Industrie expropriiert worden waren, jedoch mit dem Unterschied, dass die Produktionsmittel des Kulakentums nicht an den Staat, sondern an die Kollektivwirtschaften übergingen. Das war eine außerordentlich tiefgehende revolutionäre Umwälzung.
„Die Eigenart dieser Revolution bestand darin, dass sie von oben, auf Initiative der Staatsmacht, mit direkter Unterstützung von unten, durch die Millionenmassen der gegen das Kulaken Joch und für ein freies kollektivwirtschaftliches Leben kämpfenden Bauern, vollzogen wurde.
Diese Revolution entschied mit einem Schlage drei Grundfragen des sozialistischen Aufbaus:
a) sie liquidierte die zahlreichste Ausbeuterklasse in unserem Lande, die Klasse der Kulaken, das Bollwerk einer Restauration des Kapitalismus;
b) sie führte die zahlreichste werktätige Klasse in unserem Lande, die Klasse der Bauern, von dem Weg der Einzelwirtschaft, die den Kapitalismus hervorbringt, auf den Weg der vergesellschafteten, kollektiven, sozialistischen Wirtschaft;
c) sie gab der Sowjetmacht eine sozialistische Basis auf dem breitesten und lebenswichtigsten, aber auch rückständigsten Gebiet der Volkswirtschaft, in der Landwirtschaft.
Damit wurden im Lande die letzten Quellen einer Restauration des Kapitalismus zerstört und zugleich neue, entscheidende, für die Errichtung der sozialistischen Volkswirtschaft notwendige Bedingungen geschaffen.“ (Geschichte der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, [Bolschewiki], Kurzer Lehrgang, SWA-Verlag, Berlin 1949, S. 413.)
Die Kulaken setzten der Kollektivierung verzweifelten Widerstand entgegen. Sie erschlugen aktive Kämpfer für die Kollektivwirtschaften, legten Feuer an Scheunen und Ställe der Kollektivwirtschaften, agitierten unter den Bauern, sie sollten vor dem Eintritt in die Kollektivwirtschaft das Vieh abschlachten. Aber alle Versuche des Kulakentums, das Rad der Geschichte zurückzudrehen, brachen kläglich zusammen. Die Liquidierung des Kulakentums als Klasse auf Grund der durchgängigen Kollektivierung wurde bei direkter Unterstützung durch die armen Bauern und die Mittelbauern vorgenommen. Daraus darf jedoch keinesfalls gefolgert werden, dass dieser Prozess sich ohne irgendwelche Schwierigkeiten abwickelte.
Die Partei und die Regierung hatten ungeheure Schwierigkeiten zu überwinden. Anstatt den schwankenden Einzelbauern die Politik der Partei geduldig zu erklären, wollten manche Sowjet- und Parteifunktionäre die Kollektivierung in kürzester Frist beenden, ohne den örtlichen Bedingungen Rechnung zu tragen. Sie verletzten das bolschewistische Prinzip der Freiwilligkeit im kollektivwirtschaftlichen Aufbau und gingen manchmal gegen die Mittelbauern, ja selbst gegen arme Bauern ebenso vor wie gegen die Kulaken. Wie sich später herausstellte, begingen die Bucharinleute und die Trotzkisten absichtlich derartige „Überspitzungen“, um die Bauernschaft gegen die Kollektivierung aufzubringen und ihren erfolgreichen Verlauf zu vereiteln. Diese groben und schädlichen Überspitzungen drohten, die kollektivwirtschaftliche Bewegung in den Augen der Bauern zu diskreditieren, sie drohten, das Bündnis der Arbeiterklasse mit der Bauernschaft zu zerstören.
Am 2. März 1930 veröffentlichte Genosse Stalin in der „Prawda“ seinen Artikel „Vor Erfolgen von Schwindel befallen“, in dem er auf die Notwendigkeit verwies, Maßnahmen zur Liquidierung der Überspitzungen in der kollektivwirtschaftlichen Bewegung zu treffen. In einem anderen Artikel, „Antwort an die Genossen Kollektivbauern“, erläuterte Genosse Stalin das Wesen der Parteilinie im kollektivwirtschaftlichen Aufbau und die Bedeutung der Kollektivwirtschaften für die werktätigen Bauern. Genosse Stalin verwies besonders auf das Prinzip der Freiwilligkeit im kollektivwirtschaftlichen Aufbau und erinnerte daran, dass das wichtigste Kettenglied der kollektivwirtschaftlichen Bewegung das landwirtschaftliche Artel ist. Die Bauern, die unter dem Einfluss der törichten Verzerrungen der Parteilinie aus den Kollektivwirtschaften ausgetreten waren, kehrten nun in die Kollektivwirtschaften zurück.
Die Erfolge der sozialistischen Offensive
Am 26. Juni 1930 trat der XVI. Parteitag der KPdSU (B) zusammen. Dieser Parteitag ist in die Geschichte eingegangen als der Parteitag der voll entfalteten Offensive des Sozialismus an der ganzen Front. Während die Partei in den vorhergehenden Etappen des Kampfes für den Sozialismus die sozialistische Offensive an einzelnen Abschnitten (im Handel, in der Industrie, im kollektivwirtschaftlichen Aufbau) entwickelt hatte, begann sie jetzt die allgemeine Offensive des Sozialismus, die auf die Ausrodung der tiefsten Wurzeln des Kapitalismus gerichtet war.
Der XVI. Parteitag der KPdSU (B) erklärte: „Die von Lenin gestellte Aufgabe, ‚das Russland der NÖP‘ in das sozialistische Russland‘ umzuwandeln, wird verwirklicht.“
Der XVI. Parteitag fasste die ersten Ergebnisse der sozialistischen Offensive zusammen. Die Industrie hatte den Vorkriegsstand fast um das Doppelte überstiegen. Zum ersten mal in der Geschichte Russlands betrug der Anteil der Industrieproduktion mehr als die Hälfte, der Anteil der Landwirtschaft hingegen weniger als die Hälfte der Bruttoproduktion der gesamten Volkswirtschaft. Der Plan der Kollektivierung war überboten worden. Am 1. Mai 1930 waren in den wichtigsten Getreiderayons bereits 40-50 Prozent der Bauernwirtschaften durch die Kollektivierung erfasst worden. Die Saatfläche der Kollektivwirtschaften betrug 36 Millionen Hektar, ihre Warenproduktion wuchs in drei Jahren auf mehr als das Vierzigfache.
Die Kollektivbauernschaft ward zur wirklichen und festen Stütze der Sowjetmacht. Die UdSSR war in die Periode des Sozialismus eingetreten; der Sozialismus hatte nicht nur in der Industrie, sondern auch in der Landwirtschaft gesiegt.
Die Erfolge der sozialistischen Offensive waren im Kampf gegen den rasenden Widerstand der untergehenden Klassen errungen worden. In ihrem Kampf gegen die Kollektivwirtschaften wandten die Kulaken eine neue Taktik an und versuchten, die Kollektivwirtschaften von innen heraus zu zersetzen. Sie schlichen sich in die Kollektivwirtschaften ein, wurden Wirtschaftsverwalter, Brigadiere, Buchführer, Viehwärter usw. In heimtückischer Weise suchten sie die kollektivwirtschaftliche Arbeitsdisziplin zu untergraben, machten Traktoren und Maschinen unbrauchbar, verseuchten die Pferde mit Rotz, Krätze und anderen Krankheiten, stahlen die Ernte der Kollektivwirtschaften usw. Die Kulaken wollten die Bauern einschüchtern und ihren Glauben an die Kollektivwirtschaften untergraben.
Aber die Besten unter den Kollektivbauern verteidigten selbstaufopfernd die Sache der Kollektivwirtschaften. Auch in den Reihen der Jungpioniere und der Schuljugend gab es viele selbstlose Kämpfer für die Kollektivwirtschaften. So entlarvte im Jahre 1932 im Ural der zwölfjährige Schuljunge und Jungpionier Pawlik Morosow die Kulaken und ihre Handlanger, die gegen die Kollektivwirtschaft gewühlt hatten. Die Kulaken lauerten Pawlik im Walde auf und ermordeten ihn.
Die Sowjetmacht traf entschlossene Maßnahmen gegen die Sabotage und die Schädlingstätigkeit der Kulaken. Die Kollektivwirtschaften wurden von Kulaken gesäubert, die Kulaken wegen Schädlingsarbeit ausgewiesen usw. Am 7. August 1932 wurde das Gesetz über den Schutz des sozialistischen Eigentums erlassen. Im Januar 1933 wurde auf der Plenartagung des ZK der KPdSU (B) beschlossen, bei den Maschinen- und Traktorenstationen und den Sowjetwirtschaften Politische Abteilungen zu organisieren. Die Politischen Abteilungen bei den Maschinen-und Traktorenstationen bestanden zwei Jahre (1933 bis 1934) und leisteten eine große Arbeit bei der Heranbildung von Aktivisten der Kollektivwirtschaften, bei der Festigung der Kollektivwirtschaften und bei ihrer Reinigung von Kulaken- und Schädlingselementen.
Illegale konterrevolutionäre Organisationen, die in den Massen keine Stütze hatten und als Agenten der ausländischen Imperialisten tätig waren, wollten sich die Verschärfung des Klassenkampfes irn Dorfe zunutze machen. Im Jahre 1930 deckte die OGPU eine solche konterrevolutionäre Organisation auf, die sogenannte „Industriepartei“. Sie bestand aus einer Schädlingsgruppe aus Ingenieurkreisen, die nach Weisungen der ausländischen Kapitalisten handelten. Die Mitglieder der „Industriepartei“ sollten in der Industrie Betriebsstörungen verursachen und sie desorganisieren und der von ihren ausländischen Auftraggebern für das Jahr 1930 angesetzten Intervention Vorschub leisten. Im Kontakt mit der „Industriepartei“ stand in der Landwirtschaft die kulakische „Werktätige Bauernpartei“, deren konterrevolutionäre Schädlingsarbeit von illegal arbeitenden „Sozialrevolutionären“ geleitet wurde. In den höheren Wirtschafts- und Planungsorganen hatte sich eine Schädlingsorganisation der Menschewiki eingenistet, die im Block mit den obengenannten konterrevolutionären Organisationen ihr Unwesen trieb. Im September 1930 wurde eine heimtückische Schädlingsbande im Versorgungswesen aufgedeckt, die in ihrem wütenden Hass gegen das Sowjetvolk Fleisch, Fisch, Gemüse usw. verderben ließ und vergiftete, um eine Hungersnot und die Unzufriedenheit der Werktätigen hervorzurufen. In den Jahren 1930-1932 kam man einigen konterrevolutionären Gruppen von Bucharinleuten und Trotzkisten auf die Spur. Wie sich später herausstellte, waren alle diese Gruppen nur Zweige der zutiefst konspirativen vereinigten trotzkistischen und bucharinschen Organisation von Spionen, Schädlingen, Zerstörungsagenten und Terroristen. Ihre Leiter und Mitglieder wurden entlarvt und in den Jahren 1936-1938 vom proletarischen Gericht abgeurteilt.
Bei der Zerschlagung der Feinde des Sozialismus spielte Wjatscheslaw Michailowitsch Molotow eine große Rolle, der seit 1930 an der Spitze der Sowjetregierung stand. W.M. Molotow, ein treuer Schüler Lenins und der nächste Kampfgefährte des Genossen Stalin, wurde nach dem Siege der Oktoberrevolution einer der größten Organisatoren und Baumeister des Sowjetstaates. W.M. Molotow bewährte sich als unbeugsamer und unversöhnlicher Vorkämpfer für die Leninsche Linie, indem er den Sowjetstaat festigte und den erfolgreichen Aufbau des Sozialismus sicherte.